Pucuncho in Peru
Archäologische Funde im Pucuncho Becken
In den südlichen Anden Perus hat ein Archäologenteam unter der Beteiligung von Forschern der Universität Tübingen und dem Senckenberg Center for Human Evolution and Paleoenvironment (HEP) die höchstgelegenen menschlichen Eiszeitsiedlungen der Welt entdeckt.
Archäologen entdecken in den peruanischen Anden die höchsten Siedlungsplätze eiszeitlicher Menschen
Im Oktober letzten Jahres kam es in Peru zu einer kleinen Sensation – zumindest in Archäologenkreisen. Ein Team von Forschern aus den USA, Deutschland, Kanada und Peru hat im Pucuncho Becken in den Südanden die höchsten Siedlungsplätze eiszeitlicher Menschen entdeckt. Die beiden Stätten namens Cuncaicha und Pucuncho liegen etwa 4.300 Meter über dem Meeresspiegel und sind somit die Höchsten weltweit – zumindest im Moment.
Doch warum ist diese Entdeckung so wichtig? Nun, zum einen sind diese beiden Eiszeitsiedlungen knapp 1.000 Jahre älter als die bisher bekannten und zum anderen ging man davon aus, dass es erst einer genetischen Veränderung bedurfte, bis die Peruaner in solchen Höhen leben konnten.
Perfekt angepasst an die Umgebung
Die heutigen Bewohner der Anden haben sich optimal an das Leben in extremen Höhen angepasst. Ihr Stoffwechsel arbeitet schneller und leistet mehr, sie verfügen über eine größere Lungenkapazität und eine höhere Hämoglobin-Konzentration im Blut, welches dabei hilft, Sauerstoff zu binden. So sind sie im Gegensatz zum Durchschnittsmenschen viel besser dafür gerüstet, mit wenig Sauerstoff auszukommen.
Die Forscher des Expeditionsteams, das Mitglieder der University of Maine, University of Calgary und der Universität Tübingen umfasste, sind sich nicht sicher, ob die damaligen Bewohner von Pucuncho und Cuncaicha auch schon so gut für das Leben in den Bergen vorbereitet waren. Aber die Funde lassen zumindest darauf schließen, dass die Bewohner hier über einen gewissen Zeitraum gelebt, gejagt und gearbeitet haben. Die Frage ist nur: Waren sie damals schon perfekt angepasst oder waren die letzten Jahrhunderte der Eiszeit hier in den Anden doch milder als bisher angenommen?
Werkzeuge, Geschossspitzen und Felszeichnungen
Pucuncho, die erste Fundstätte, liegt genau auf 4.355 Metern Höhe. Hier entdeckten die Archäologen 260 Steinwerkzeuge, die zum Teil bis zu 12.800 Jahre alt waren – unter anderem Geschossspitzen und Schlachtwerkzeuge.
Die zweite Fundstätte, der Cuncaicha-Felsen, hielt für die Forscher zahlreiche Werkzeuge und andere Objekte bereit, die die Menschen hier vor 12.400 Jahren benutzten. Der Felsüberhang bildete eine natürliche Decke und bot den Bewohnern Schutz vor Wind und Wetter. Rußflecken an den Felsen lassen darauf schließen, dass sie diesen Ort als Lager- und Kochstätte nutzten.
Viele der gefundenen Werkzeuge wurden aus Obsidian, Andesit oder Jaspis gefertigt, welches man im Gebiet des Pucuncho Beckens auch heute noch finden kann. Das Forscherteam unter der Leitung von Dr. Kurt Rademaker von der Universität Tübingen schließt daraus, dass die Bewohner dieser ungastlichen Region voll und ganz auf die Jagd setzten. Es gab keinerlei Anzeichen für den Anbau von Nutzpflanzen – oder gar natürlich vorkommenden Nahrungsquellen.
Ernährt haben sich die Bewohner wahrscheinlich von Guanakos und Vikunjas, beides Verwandte der Kamele, sowie von Andenhirschen und später Lamas und Alpakas.
Schwierige Bedingungen unter extremsten Begebenheiten
Nur 2.000 Jahre nachdem die ersten Menschen nach Südamerika kamen, hatten sie bis hoch in die Anden ausgebreitet und das, obwohl die Bedingungen in den Bergen denkbar ungünstig waren. Selbst heute noch ist die Anreise hart und beschwerlich. Um in das Gebiet der beiden Eiszeitsiedlungen zu gelangen, muss man zuerst einen knapp vierstündigen Fußmarsch hinter sich bringen – mit ein bisschen Glück hat man Packesel für die Ausrüstung dabei. Wenn nicht, bekommt man wenigstens einen Muskelkater.
Und auch die klimatischen Bedingungen sind immer hart am Limit: Extreme UV-Strahlung, unerwartete Schneestürme, die wie aus dem Nichts auftauchen und der krasse Temperaturabfall nachts machen ein Überleben hier zu einer echten Herausforderung. Und damals wird es sogar noch viel ausgeprägter gewesen sein. Trotzdem gehen die Forscher davon aus, dass die Bewohner von Pucuncho und Cuncaicha hier zumindest einen Teil des Jahres verbrachten. Geröllstücke, die aus tieferen Ebenen stammen und ebenfalls während der Ausgrabungen gefunden wurden, zeigen allerdings, dass eine Wanderung stattgefunden hat.
Immer auf der Jagd
Doch warum siedelten sich in dieser ungastlichen Umgebung überhaupt Menschen an? Wahrscheinlich liegt die Antwort ganz offensichtlich auf der Hand: Sie folgten der Nahrung. Geologen haben mittlerweile beweisen können, dass das Gebiet rund um das Pucuncho Becken vor rund 15.000 Jahren frei von jeglichen Eiszeit-Gletschern war. Und wo kein Eis ist, kann Leben in Form von saftigem grünen Grass erblühen. Und wo Futter ist, sind Tiere nicht weit … und dementsprechend auch die Menschen, die sich von ihnen ernähren.
Der Anthropologe Tom Dillehay von der Vanderbilt University in den Vereinigten Staaten sagt dazu, dass die Entdeckungen von Siedlungen wie Monte Verde in Südchile (14.500 – 14.250 Jahre alt) oder Quebrada Jaguay an der peruanischen Küste, das bisherige Verständnis über die Verbreitung der Siedler auf den Kopf gestellt haben.
Und wer weiß, was die Forscher und Archäologen auf ihrer nächsten Expedition noch alles finden werden – denn bisher ist nur ein kleiner Teil der höher gelegenen Gebiete der Anden richtig untersucht worden.
Weiterführende Links
Universität Tübingen