Welchen Zweck erfüllte Machu Picchu
Inhalt
Wozu diente Machu Picchu?
- Das „falsche“ Vilcabamaba
- Eine Kultstätte der „Jungfrauen der Sonne“?
- Eine Sommerresidenz des Inka-Herrschers?
- Ein mythologischer Pilgerort?
Über Machu Picchu
Wozu diente Machu Picchu?
Machu Picchu als das „falsche“ Vilcabamaba
Inzwischen ist das wahre Vilcabamaba auch gefunden. Es befindet sich in Espíritu Pampa, nahe dem Regenwald ungefähr 130 Kilometer westlich der Inka-Hauptstadt Cuzco. Ironischerweise hatte Bingham die Ruinen von Vilcabamaba 1911 selbst besucht. Er entschied jedoch, dass die etwa 20 sichtbaren Gebäude zu klein und zu wenig spektakulär seien, um als Zentrum gedient zu haben. Bei spätere Ausgrabungen in den 1960ern und extensiven kartographischen Analysen in den 1980ern stellte sich allerdings heraus, dass die ganze Stätte mit 400 bis 500 Gebäuden viel größer war, als ursprünglich von dem Entdecker angenommen.
Machu Picchu als Kultstätte der „Jungfrauen der Sonne“
Bingham und sein Team fanden eine ganze Anzahl an menschlichen Skeletten in Machu Picchu, die sie für weitere Untersuchungen in die USA verschifften. Dort wurden sie von George Eaton untersucht, der Anfang des 20. Jahrhunderts zu dem Ergebnis kam, es handele sich bei den Überresten fast nur um weibliche Knochen. Bingham formulierte daraufhin noch eine dritte Theorie zum Zweck von Machu Picchu. Die Stätte könnte, so meinte er, auch als zeremonielle Kultstätte für die „Jungfrauen der Sonne“ gedient haben – auserwählten Mädchen und Frauen, die dem Inkagott der Sonne, Inti geweiht wurden.
Machu Picchu als Sommerresidenz
1980 fanden Historiker ein Dokument aus dem Jahr 1568, weniger als 40 Jahre nach der Eroberung Perus durch die Spanier. Es handelt sich um eine Petition der Nachfahren des Inka-Herrschers Pachacutec Inca Yupanqui und richtet sich an den spanischen Gerichtshof. Darin wird behauptet, dass Yupanqui Ländereien an einem Ort namens Picchu besessen hätte, sehr in der Nähe des heutigen Machu Picchu.
Nachfolgende Analysen der Architektur von Machu Picchu sowie der dort gefundenen Artifakte (von einfachen Töpfen bis hin zu opulenten Messingspiegeln) weisen ebenfalls daraufhin, dass es sich bei Machu Picchu um ein Berg-Ressort des Inka-Herrschers gehandelt haben könnte – eine Anlage mit allem vorstellbaren Komfort, einschließlich privaten Steinbädern, kostbarem Geschirr und sorgfältig angelegten Orchideengärten zum Entspannen.
Die Yale Universitätsprofessoren Richard Burger und Lucy Salazar schlugen in den 1980ern sogar vor, es handele sich bei Machu Picchu um eine reine Sommerresidenz von Pachacutec. Burger verglich sie in einer vielzitierten Analogie mit Camp David, dem Wochenendquartier der U.S. Präsidenten: Ein Ort, an dem Erholung und diskrete, politische Treffen zusammenkommen. Yupanqui hat nicht etwa nur seine Familie, sondern höchstwahrscheinlich einen ganzen Stab an anderen ‚Aristokraten‘, Beamten und Staatsbediensteten in Machu Picchu beherbergt, nicht zu sprechen von den notwendigen Bediensteten. Dieser ‚Panaca‘ leistete dem Herrscher wochen- oder monatsweise Gesellschaft, erfüllte aber auch politische Dienste.
Diese These würde auch den geordneten Rückzug aus Machu Picchu erklären, der mit keinerlei Zerstörung oder Gewaltausübung einher ging. Denn als der Inka Herrscher etwa hundert Jahre vor dem Eintreffen der Spanier starb, könnte auch Machu Picchu seinen Sinn verloren haben und vergessen worden sein. In der Inka Kultur war es ein bekanntes Phänomen, dass die Herrscherhäuser nicht weitervererbt, sondern leer gelassen wurden, wenn ihre Bewohner verstarben.Machu Picchu als mythologischer Pilgerort
Machu Picchu könnte im wahrsten, geographischen Sinne ein „heiliges Zentrum“ inmitten der Anden gewesen sein – denn die heiligen Gipfel, ‚Apus‘ auf Quechua, liegen unmittelbar in allen Himmelsrichtungen um die Stadt herum. Nicht nur dass: Der für die Inka-Kosmologie so wichtige Urubamba-Fluss windet sich wie ein schützendes Band um die gesamte Bergbasis, auf der Machu Picchu errichtet wurde.
Während der Sonnenwende im Juni geht die Sonne direkt oberhalb eines Gipfels im Osten von Machu Picchu auf. Dabei schießt sie einen Lichtstrahl durch ein Fenster des spektakulären, halbrunden Sonnentempels, wo er ein perfektes Rechteck abbildet. Einige Archäologen glauben, dass der Sonnenstein an dieser Stelle einst eine goldene Statue des Herrschers Pachacutec beherbergte.
Oder doch eine Kombination aus allem?
Sicher werden wir nie wissen, wozu Machu Picchu ursprünglich erbaut wurde und welchen Zwecken es im Laufe seiner Geschichte diente. Aber jeder Besucher wird von der mysteriösen, spirituellen Präsenz der Bauten und der atemberaubenden Örtlichkeit Machu Picchus sofort derart in den Bann gerissen, dass diese Ruinenstätte der Inka auch heute noch wie eine natürliche Kathedrale wirkt.