Virtuelle durch Machu Picchu
Inhalt
Ein Rundgang durch die Stadt
- Das Stadttor und der Zutritt zu Machu Picchu
- Der Sonnentempel
- Ein Besuch während der Sonnenwende
- Die Intihuatana Pyramide
- Das schamanistische Ritual
- Die Brunnen der Stadt
- Der Haupttempel
- Das königliche Grab
- Der Ñusta Palast
- Der Heilige Platz
- Der Tempel der drei Fenster
- Der Tempel des Kondor
- Der Hauptplatz
Hiram Bingham III – der offizielle Entdecker von Machu Picchu
- Lebenslauf des Entdeckers
- Der wahre und gierige Entdecker von Machu Piccchu
- Die Schatzsuche hört nicht auf
Die Entdeckung der Inka-Stadt
- Die Entdeckung von Machu Picchu
- Das Team und seine Erwartungen
- Aufbruch der Expedition
- Die Fundstücke und ihr AbtransportEndlich berühmt – The Lost City of the Incas
Der Inka-Trail und drei alternative Aufstiege nach Machu Picchu
- Zu Fuß oder per Bahn und Bus
- Die Reiserouten
- Der ursprüngliche Inka Trail
- Der 4-Tage Trail zur Stadt
- Die Trekking-Route zur Stadt
- Alternative Routen nach Macchu Picchu
- Die Salcantay Route
- Die Lares Route
- Tagestour nach Machu Picchu
Wozu diente Machu Picchu?
- Das „falsche“ Vilcabamaba
- Eine Kultstätte der „Jungfrauen der Sonne“?
- Eine Sommerresidenz des Inka-Herrschers?
- Ein mythologischer Pilgerort?
Bautechnik voller Faszination
- Die Steine – ein weiteres Geheimnis der Stadt
- Ohne Rad oder Metall
- Die Wasser- und Abwasserversorgungs
- Chancen und Probleme des Regenwassers
- Das Terrassensystem
- Die Aufteilung der Stadt
Reisetipps für Machu Picchu
Eine virtuelle Reise durch die Kultstätten von Machu Picchu
Der erste, urbane Sektor war zum Wohnen bestimmt. Er zeichnet sich durch einstöckige Wohnbehausungen mit trapezförmigen Türen- und Fensteröffnungen aus, die mit goldgelben Reetdächern gedeckt waren. Die für sie verwendeten Steine sind kleiner und unregelmäßiger behauen als die der Sakralbauten.
Gebäude, in denen das Handwerk untergebracht war, also Werk- und Produktionsstätten, lassen sich ebenfalls hier finden. Archäologen fassen diese als zweite Zone der Industrie- oder Manufaktursektion von Machu Picchu zusammen. Auch Lager finden sich hier. An der Anzahl und der Größe der Fenster lässt sich häufig die Nutzung ableiten: Gebäude mit vielfachen, größeren Aussparungen sollten gut durchlüftet sei, damit das gelagerte Gut nicht verdarb; sie boten außerdem ausreichend Licht für innen ausgeübte Tätigkeiten. Kleinere Fenster deuten auf Schlaforte hin, aus denen auch in kälteren Monaten die Wärme nicht entweichen sollte.
Viertens stechen die verschiedenen spirituellen und repräsentativen Bauten heraus, die besonderen, meist religiösen bzw. spirituellen Zwecken dienten. Sie bilden gemeinsam den sakralen und royalen Sektor der Stadt. Einige Bauten, die religiösen Zwecken dienten, verteilen sich aber auch über den urbanen Sektor von Machu Picchu.
Gemäß der Bedeutung der Gebäude teilt sich der bewohnte Teil von Machu Picchu nochmals in zwei Zonen.
Es sind diese über Machu Picchu verstreuten Kultstätten, denen wir uns im Folgenden widmen. Sie haben maßgeblich zum heutigen Verständnis von Machu Picchu beigetragen, weil sie uns viel über den Sinn und die Geschichte der gesamten Anlage erzählen. Darüber hinaus sind sie es, die Machu Picchu mit jener ganz eigenen spirituellen Energie bereichern, die beim Betreten der Stätte sofort spürbar ist.
Reisetipps Machu Picchu: Erleben Sie die Inka-Stätte wie ihre Bewohner
Machu Picchu ist nicht ausgeschildert, was viele Besucher verwundert und manchmal zum Verzweifeln bringt. Es hat aber auch deutliche Vorteile: Denn ohne Hinweisschilder und allzu viele Absperrungen ist der Eindruck einer einstmals belebten, in sich homogenen und gleichzeitig geheimnisvollen Stadt viel unmittelbarer.
Wenn Sie die Zeit mitbringen, dann gönnen Sie sich den Luxus des intuitiven Erlebens der verschiedenen Stadtgebiete genau so, wie ihre Erbauer sie angelegt hatten – bevor Sie sich auf eine Tour mit einem der meist ausgezeichneten, lokalen Führer begeben, der Sie mit zusätzlichen, historischen Fakten versorgen wird. Gerade die Kultstätten entfalten einen fast mystischen Sog, der sich mit der Muße des Betrachtens kontinuierlich verstärkt.
Betreten wir das kultische Machu Picchu durchs Stadttor
Dabei fällt der erste Blick nicht auf die nachfolgenden Gebäude, sondern auf den dahinter in einiger Entfernung aufragenden Huayna Picchu. Der Eintretende wurde so an die Allgegenwart der Berggötter erinnert, die Machu Picchu in ihren Schutz nehmen sollten.
Dieser durch den Eingang gelenkte Blick ist ein wiederkehrendes Motiv in der Inka-Architektur. Gleichzeitig wurde auf diese Weise schon der erste Schritt des Besuchers oder rückkehrenden Einwohners von Machu Picchu zu einer rituellen Handlung; das Profane und Religiöse verschmolzen durch den simplen Akt des Eintretens.
Diese Gleichzeitigkeit von simplen Handlungen des täglichen Lebens und einer immer gegenwärtigen Spürbarkeit göttlicher Präsenz durch die sorgfältige Stadtplanung und Anordnung von Gebäuden und Symbolen ist ein absolut dominantes Designelement in Machu Picchu, das heute noch genauso intensiv spürbar ist wie bei seiner Erbauung.
Eine Stadt wie Machu Picchu war damit nicht nur Heimat und Repräsentationsfläche, sondern stellte eine irdische Parallele des Kosmos dar. Gleichzeitig verstärkte diese Komponente den Status der Priester und Schamanen, die ihren Bedeutungshorizont regelmäßig durch Zeremonien und Riten mit Leben erfüllten. Durchs Haupttor schreitend, ergab sich der Besucher quasi der Macht der Götter und ihrer urbanen Interpreten.
Der Sonnentempel
Doch trotz des Luxus dieses Ensembles wurde auch in Machu Picchu wert auf die Überlegenheit der Götter über die Menschen gelegt: Die Steinarbeiten an des Herrschers Wänden sind offensichtlich absichtsvoll weniger detailliert und opulent ausgeführt als die an der Tempelanlage.
Die elliptische Grundform des Sonnentempels von Machu Pichu ähnelt jenem in der Inka-Hauptstadt Cuzco. Der behauene Stein im Inneren des Sonnentempels (auch Torreón genannt) könnte als Altar gedient haben. Seine Größe hätte die rituelle Tötung lebender Opfergaben zugelassen, die die Inka nachgewiesen praktizierten.
Unterhalb des Tempels liegt eine natürlich geformte Höhle, an deren Eingang ein zur Treppe behauener Findling liegt (siehe weiter unten „Das königliche Grab von Machu Picchu“). Während der wissenschaftliche Entdecker von Machu Picchu, Hiram Bingham, und mit ihm noch viele heute forschenden Wissenschaftler darin ein royales Mausoleum sehen, halten andere Experten eine Nutzung im Rahmen der Sonnenanbetung für wahrscheinlicher.Der Sonnentempel, genauer gesagt seine Altar, ist ein weiteres perfektes Beispiel für die Selbstverständlichkeit, mit der die Erbauer von Machu Picchu vorgefundene, von der Natur „geschenkte“ Formationen und Strukturen in ihre Bauplanung organisch einbezogen haben.
Strategisch wurde der Sonnentempel innerhalb von Machu Picchu so weit oben positioniert wie möglich. Die Nähe zum Himmel und seinen Gestirnen war für die Rituale essenziell: Nicht nur, um den Göttern näher zu sein, sondern auch, um astronomische Fixpunkte einzubeziehen.
Reisetipps Machu Picchu: Die Inka-Stätte bei Nacht und zur Sonnenwende
Tatsächlich ist der Nachthimmel über Machu Picchu bei klarer Sicht von geradezu mystischer Pracht; entlang der klar zu sehenden Milchstraße sind die Sterne mit bloßem Auge leicht zu kartographieren. Wirklich in diesen Genuss kommt allerdings nur, wer sich entweder auf dem Inka-Trail der mystischen Stätte nähert oder vor Ort nächtigt. Entsprechende Übernachtungstipps haben wir an anderer Stelle in unserem Machu Picchu Spezial zusammengestellt (Link).Ebenfalls ein magisches Erlebnis in Machu Picchu: Die Sonnenwende im Juni. Denn genau während dieses Tages scheint die aufgehende Sonne direkt durch eines der Tempelfenster auf den Stein; eine zu perfekte Ausrichtung, um Zufall zu sein, wie viele Archäologen meinen. In solchen Momenten ist die mystische Atmosphäre dieses Ortes geradezu mit Händen greifbar.
Die Intihuatana-Pyramide
40 – 46 cm hoher Granitsäule, dem Intihuatana-Stein. Astrohistoriker gehen davon aus, dass es sich dabei um eine Sonnenuhr oder, präziser ausgedrückt, einen Schattenwerfer (Gnomon) handelt. Er könnte den Bewohnern von Machu Picchu dazu gedient haben, den Sonnenverlauf über das Jahr zu bestimmen und so den Ackerbau mitsamt Aussaat und Erntezeitpunkten nach den Sonnenständen auszurichten – denn exakt zum Frühlings- und Herbstbeginn wirft der Stein keinen Schatten. Diesem Umstand mag er auch seinen Namen „Intihuatana“ verdient haben, was übersetzt bedeutet: „Der Ort, an dem die Sonne gefesselt ist“. Auch die Zeitpunkte der rituellen Feste zu Ehren der Naturgötter – allen voran Inti, dem Sonnengott – könnten so festgelegt werden. Die festgestellten Daten wurden möglicherweise per Boten über den Ika-Trail weit über Machu Picchu hinausgetragen. Für manche Historiker ist die Intihuatana deshalb ein Indiz, dass Machu Picchu mehr war als nur Sommersitz oder Rückzugsort des Herrschers. Vielmehr könnte die exponierte Lage es zu einem Zentrum für astronomische und kalendarische Forschung im Reich der Inkas gemacht haben – eine Art Himmelsuniversität, die Forscher aus allen Teilen des Reiches anzog.
Nahe beim Schattenwerfer befinden sich drei kleine Unterstände, die wohl als Schutzplätze für die Hüter des Steins gedient haben. Im September 2000 wurde der Intihuatana-Stein übrigens während eines nicht vollständig genehmigten Drehs zu einem Bierwerbespot irreparabel beschädigt, als ein Kranarm auf ihn prallte. Seiner majestätischen und mystischen Aura tut dies jedoch keinen Abbruch, auch wenn es seine astronomische Präzision eingeschränkt haben dürfte.
Reisetipps Machu Picchu: Das schamanistische Ritual
Die Inka sind für ihre schamanistische Kultur berühmt, die noch heute das Heilwesen Perus prägt. Strukturen wie der Intihuatana-Stein dienten nicht nur als Hilfsmittel für astronomische Berechnungen oder spirituelle Rituale. Sie bargen eine göttliche Kraft in sich, die sie frei abgeben konnten.Schamanistische Legenden besagen, dass der Intihuatana-Stein in jedem Menschen eine Verbindung zur Geisterwelt herstellen kann. Die Berührung des heiligen Steines mit der Stirn sollte Visionen der Geister heraufbeschwören. Deshalb waren die Intihuatana-Steine den christlichen Spaniern auch ein besonderer Dorn im Auge und wurden von diesen systematisch zerstört. Der Intihuatana-Stein von Machu Picchu ist auch deshalb in ganz Peru konkurrenzlos, weil er als einziger die spanische Invasion und die nachfolgenden Missionierungsbemühungen überlebt hat. Wer selber schamanistische Interessen hat oder ein derartige Ritual einmal durchführen möchte, hat auf Machu Picchu die einmalige Möglichkeit dazu.
Straße der 16 Brunnen in Machu Picchu
Historisch wurde die ausgefeilte, elegante Struktur des Brunnensystems lange Zeit nicht wirklich beachtet; die Becken lagen trocken, die Zuflüsse waren verstopft oder beschädigt. Zwanzig Jahre lang versuchte der amerikanische Hydroingenieur Kenneth R. Wright zusammen mit seiner Frau Ruth bei der peruanischen Regierung um die Erlaubnis, die Wasserversorgung von Machu Picchu studieren und gegebenenfalls restaurieren zu dürfen. 1994 war es endlich soweit. Seitdem haben das Ehepaar und ein Team seiner Mitarbeiter ehrenamtlich und mit eigenem Budget alle paleo-hydrologischen Aspekte von Machu Picchu intensiv erforscht – die Wassergewinnung, Versorgung und die kontrollierte Ableitung durch Terrassen und Entwässerungsmechanismen.
Gespeist wurden das Brunnen-Becken-System von Steinrinnen, die das frische Nass von den etwa 800 Meter außerhalb von Machu Picchu gelegenen, Regenwasser gespeisten Quellen in die Stadt transportierten. Dort hatten die Inka-Ingenieure eine 14 Meter lange, durchlässige Mauer konstruiert, die das sickernde Wasser direkt in die Kanäle hinein leitete; hinzu kam noch das Wasser einer zweiten, kleineren Quelle. Heute wird das Wasser durch eine von der Quelle ausgehende Wasserleitung zum Brunnensystem geführt.
Dieses Kanalsystem wurde unterhalb der äußeren Stadtmauer hindurch geleitet, durchquerte und versorgte die landwirtschaftliche Zone und führte dann führte unter der Trennmauer zur urbanen Zone.Dort begann es in die berühmte Abfolge der 16 Becken zu laufen, in denen es sich sammeln konnte. Das Ergebnis: Eine kontrollierte, hoch verlässliche, kontinuierliche Wasserversorgung, die gleichzeitig die Hügelstruktur vor Erosionen schützen half.
Die Becken formen recht große, unbedachte Kammern, in denen sich leicht mehrere Gefäße zum Befüllen nebeneinander stellen ließen. Die steinernen Ausgüsse jedes Brunnens scheinen in der perfekte Größe gestaltet, um die typischen, in den Anden der Inka-Zeit genutzten Tonkrüge zu füllen. Gleichzeitig stellen sie aber auch einen intimen Rückzugsort, der eine unbeobachtete Waschung oder ein privates Ritual ermöglicht – sie erinnern nicht von ungefähr an „Outdoor-Duschkabinen“.
In jedem der Brunnen finden sich kleine, in die Steinwände eingelassene Nischen, die offensichtlich für Opfergaben vorgesehen waren. Während einige der Brunnen funktional gestaltet sind, haben andere eher zeremoniellen Charakter – wie etwa Brunnen #3, der sich in der Nähe des Sonnentempels befindet, sorgfältig ausgestaltet ist und vier ausgesparte Opferstellen bietet. Er ist auch der einzige Brunnen, der „umflossen“ werden kann, indem das Wasser direkt unterirdisch von Brunnen #2 zur Brunnen #4 geleitet wird.
Solche architektonischen Details machen deutlich, welche heilige Stellung die Naturelemente, darunter Wasser, für die Inka hatten, in deren Mythologie sie als Götter verehrt wurden. Pariacaca, der den Gott des Wassers repräsentiert, konnte an jedem der 16 Brunnen täglich und als regulärer Bestandteil des Tagesablaufs gehuldigt werden.
Der Haupttempel der Stadt
Denn während etwa die Steine des Tempels der Drei Fenster ihre unregelmäßige Form beibehalten durften und lediglich so ausgesucht und bearbeitet wurden, dass sie stabil ineinander griffen, sind die Steine des Haupttempels rechteckig geschlagen und formen lineare Muster. Sie sind bis zu einem Meter tief, was dem Tempel zusätzlich Kraft und Erdung verleiht.
Bereits zur Zeit von Binghams Entdeckung von Machu Picchu hatten sich Erosionserscheinungen am Boden unter dem Haupttempel bemerkbar gemacht. Die Folge ist die deutlich sichtbare Lockerung und Verschiebung der Wand.
Neben dem Hauptraum des Tempels befindet sich eine weitere Einfriedung, die als Wohn- oder zumindest Aufenthaltsort des Priesters gedient haben könnte. Ein kleines, direkt an der Wand errichtetes Podium könnte von ihm als Bett genutzt worden sein; deshalb wird diese kleine Sakristei auch „Haus des Priesters“ genannt.
Vor dem Tempel liegt ein im Verhältnis kleinerer, gemeißelter Stein, der das ‚Kreuz des Südens‘ repräsentiert haben könnte. Dieses Sternbild des Südhimmels spielt mit seinen vier leuchtend hervor stechenden Sternen seit Jahrhunderten in allen astronomisch ausgerichteten Kulturen eine zentrale Rolle und wird seit je her zur Orientierung nach Süden genutzt.
Das königliche Grab des Herrschers
Entlang der Wände des königlichen Grabes finden sich kunstvolle Gravuren in Form von heiligen Symbolen. Was wie eine Treppe am Eingang erscheint, ist in Wirklichkeit ein Inka-Kreuz, dass die drei Seins-Welten der Inka symbolisiert: die erste Stufe steht für die Unterwelt der Toten und wird von der Schlange versinnbildlicht. Die zweite Stufe stellt die Gegenwart menschlichen Lebens dar und wird von der Gestalt des Jaguars vertreten. Die oberste Stufe symbolisiert die spirituelle Welt der Götter, vertreten durch den Kondor. Auf allen drei Stufen konnten Opfergaben an die Götter niedergelegt werden.
Der Ñusta Palast – Palast der Prinzessin
Der Ñusta Palast ist Bestandteil des sogenannten royalen Teils von Machu Picchu; durch seine Anbindung an den Tempel der Sonne wurde er lange nicht als eigenes Gebäude klassifiziert.
Allerdings zeigt seine elaborate und verfeinerte Bauweise deutlich, dass diese Struktur einem hochrangigen, eigenen Zweck gewidmet gewesen sein muss – welchem allerdings, darüber gehen die Meinungen der Historiker bemerkenswert weit auseinander.
Einige Ethnologen vermuten, dass es sich bei diesem Gebäude um einen Rückzugsort von Jungfrauen gehandelt haben könnte, die zentrale Rollen in den religiösen Ritualen um die Sonnen- oder Wassergötter spielten. Andere Forscher meinen, dass es sich um Wohnorte von Frauen der nobelsten sozialen Klasse, der sogenannten Panacas, gehandelt haben könnte. Bei den Panacas handelte es sich um direkte Nachfahren oder Anverwandte der Könige, also auch um seine Gemahlinnen oder versprochenen Bräute und unverheirateten Kinder – die Ñustas oder Prinzessinnen.
Allerdings wurden ‚Ñustas‘ auch die Jungfrauen der Sonne genannt: jungfräuliche, aus dem ganzen Inkastaat zusammengesuchte junge Frauen, die dem König zu Diensten sein sollten. Hiram Bingham hing der These an, dass die Jungfrauen der Sonne nach Machu Picchu geholt worden waren, um sie dort besser vor den spanischen Eroberern schützen zu können. Deshalb wurde der Komplex auch häufig „Kloster der Ñustas“ genannt. Allerdings gründete Bingham seine Theorie auf der Annahme, dass 80% der von ihm im der Umgebung gefundenen Knochenstücke seiner Ansicht nach von Frauen stammten. Inzwischen weiß man, dass die Inka nur so schmal und leicht gebaut waren, dass Binghams Team sie fälschlich als weiblich klassifiziert hatten. Ebenso gut könnte hier aber auch die Hohe-Priesterin residiert haben, die ebenfalls einen wichtigen Platz in der rituellen Gemeinschaft von Machu Picchu einnahm.Der Heilige Platz
Der Heilige Platz war als das soziale Zentrum des heiligen Sektors von Machu Picchu angelegt. Er besteht aus dem Haupttempel, dem Tempel der drei Fenster und der Intihuatana. Die ringsum angelegten Terrassen dienten deshalb höchstwahrscheinlich auch nicht der Kultivierung von Esspflanzen, sondern vielmehr als Zuschauertribünen zur Ergänzung der Platzfläche – während der Festivals und Riten der Stadt boten sie allen Teilnehmenden genug Raum, der sonst aufgrund der abfallenden Hügelseiten nicht vorhanden gewesen wäre.
Viel deutet darauf hin, dass der Heilige Platz der Mittelpunkt des gesellschaftlichen wie spirituellen Lebens von Machu Picchu war. Er liegt auch in architektonischer Hinsicht außerordentlich durchdacht nahe des Steinbruchs, da die ausgefeiltesten und mit am meisten Arbeit verbundenen Gebäude des Komplexes sich dort befunden haben. Durch seine hohe Lage wurde er wahrscheinlich auch für diverse astronomische Berechnungen sowie die Anbetung von Sonne und Mond genutzt.Der Tempel der drei Fenster
Seine drei trapezförmigen Fenster bieten einen atemberaubenden Blick über die Landschaft und sind perfekt auf den Sonnenaufgang ausgerichtet.
Auch war Bingham voreingenommen bei seiner Interpretation. Schließlich war er vor seinem Fund von Machu Picchu ursprünglich aufgebrochen, um die Geburtsstätte der Inka zu finden – die sich gemäß der Überlieferung auf dem Tamputoco-Hügel befinden und eine Höhle mit drei Fenstern beherbergen sollte.
Ironischerweise war es auch der Tempel der Drei Fenster, der Bingham darüber in Kenntnis setzte, dass er vielleicht der wissenschaftliche, aber beileibe nicht der erste Entdecker von Machu Picchu war. Bereits bei seinem ersten Besuch fand er in dessen Wand nämlich den Namen „Lizárraga“ und die Jahreszahl 1902 gemeißelt, die heute noch sichtbar sind. Die Inschrift bezog sich auf den peruanischen Bauern Agustín Lizárraga und drei seiner Begleiter, Gabino Sánchez, Enrique Palma und Justo Ochoa, die die zugewachsene Inkastätte auf der Suche nach höher gelegenen Anbauflächen fast zehn Jahre vor Binghams erstem Besuch entdeckte hatten.
Die offene Seite des Tempels der drei Fenster in Machu Picchu wird von einer Steinformation abgegrenzt, die die drei Welten der Inka-Kosmologie repräsentiert. Sie steht für die Transzendenz des Himmels und die Oberwelt mit ihren Göttern (Hanan-Pacha); die Erdoberfläche oder das Hiesige mit Menschen, Tieren, Pflanzen und Geistern (Kay-Pacha); und das Unterirdische mit seinen Toten, aber auch den Samen und dem Seelenleben (Ukju-Pacha).
Unterhalb des Tempels fanden Archäologen Berge von Tonscherben, die möglicherweise auf rituelle Handlungen hindeuten.

Machu Picchu vor 100 Jahren
Der Tempel des Kondor
In diesem Fall handelt es sich bei der organischen Steinformation um einen in Millionen von Jahren von Winden und Wasser geschliffenen Brocken, den die Inka künstlerisch zur Figur eines fliegenden Kondors ausgestalteten. In der Inka-Mythologie steht der Kondor für den Geist und höhere Bewusstseinszustände.
Auf dem Boden vor dem Tempel findet sich eine liegende Steinskulptur, die Kopf und Halsgefieder des Kondors nachbildet und damit das dreidimensionale Bild vollendet. Historiker vermuten, dass der Kopf als Opfer-Altar genutzt wurde.
Die Nischen in Menschengröße und die unterirdisch angelegten Kerker dienten wohl eher zur vorübergehenden Verwahrung von Angeklagten, während über ihr endgültiges Schicksal entschieden wurde – zu dem in nicht seltenen Fällen, wie etwa Diebstahl, auch die Todesstrafe gehörte. Die Nähe der Verliese zum Tempel hat manche Archäologen zu der (eher morbiden) Annahme verleitet, die Todesurteile könnten gleichzeitig als rituelle Opfer auf dem Altarstein vollstreckt worden sein – weitere, wissenschaftlich belastbare Belege für diese These gibt es allerdings nicht.
Der Hauptplatz
Für diese stellte er höchstwahrscheinlich einen Ort für Versammlungen und heilige Feste zu Ehren der Götter dar. Er war auch die Sphäre, in der sich die verschiedenen sozialen Klassen von Machu Picchu vermischten. Während einige Kultstätten strikt der Aristokratie und den Priestern vorbehalten waren, stellten die allen zugänglichen Ritualfeiern ein extrem wichtiges, strukturierendes Element der Inka-Gesellschaft und des Jahreskalenders dar, für die der Hauptplatz eine ausgezeichnete Bühne bot.
Reisetipps Machu Picchu: Die Panoramasicht vom „Central Plaza“
Sie lieben Panoramabilder? Dann beenden Sie Ihre Tour durch Machu Picchu mit einem Rückgang zum Wächterhäuschen. Von hier aus haben Sie einen ausgezeichneten 360°-Rundum-Blick auf die gesamte Anlage und können wunderbare, letzte Bilder machen.