Hiram Bingham
Hiram Bingham: Lebenslauf eines Entdeckers
Hiram Bingham wurde 1875 in der hawaiianischen Hauptstadt Honululu als Sohn von Missionaren geboren. Schon früh trug er das Herz eines Entdeckers in sich; seine Eltern jedoch wünschten sich, dass er die religiöse Familientradition fortführen würde.
In seiner Kindheit lehnte er sich dagegen auf: rannte mit 12 zuhause weg, um sich als blinder Passagier einzuschiffen, nur um schon im Hafen abgefangen zu werden, wollte Football spielen und den Globus erkunden.
Aber auch die Bücher waren seine Welt, solche, die ihn in die Welt der Abenteurer und Entdecker entführten. Mit seinem Vater fuhr er in die Berge und lernte sehr gut klettern, eine Fähigkeit, die ihm beim Anstieg zum Machu Picchu noch von entscheidendem Nutzen sein würde.
Nach dem Schulabschluss unterwirft sich Bingham zunächst dem elterlichen Wunsch und studiert Theologie in der amerikanischen Eliteuniversität Yale. 1898 heiratet er, sehr zum Missvergnügen ihrer Eltern, Alfreda Mitchell, eine Erbin der wohlhabenen „Tiffany“-Dynastie.
Sie beziehen ein Anwesen in der Prospect Street in Hartford und bekommen im Verlauf der Ehe sieben Söhne. Alfreda wird in den kommenden Jahren nicht nur seine Studiengebühren, sondern auch einen Großteil seiner Expeditionen bezahlen.
Doch das Leben als Akademiker, Ehemann und Vater reicht dem Mann aus Hawaii nicht aus. Trotz fehlender akademischer Referenzen auf diesem Gebiet will Bingham als Historiker Karriere machen. Also macht er in Harvard noch einen Doktor in lateinamerikanischer Geschichte – ein zu jener Zeit erstaunlicherweise völlig abwegiges Spezialgebiet. Aus diesem Grund gibt es für ihn nach Studienabschluss auch keine Stelle. Es sind schlicht nicht genug Professuren eingerichtet; aus damaliger Sicht war dieser Bereich der Geschichtsschreibung einfach nicht interessant genug, um einen eigenen Lehrstuhl zu rechtfertigen.
Bingham sieht nur einen Ausweg: Er muss selbst nach Lateinamerika reisen und dort eine publikationswürdige, ja spektakuläre Entdeckung machen, die eine Finanzierung seiner Arbeit rechtfertigt. Zeitzeugen sagen außerdem, er habe schon damals den Drang nach akademischen Ruhm gehabt.
1906 folgt er zunächst den Spuren Simon Bolivars durch Venezuela und Kolumbien.
Als Bingham im Jahr 1909 für die Universität Yale an einem Kongress in Chile teilnimmt, nutzt er seine Chance und hängte eine Forschungsreise über 6 Monate hintenan.
Sein Weg führte Bingham damals zum ersten Mal auch nach Peru – als Teilnehmer einer lokalen Expedition auf der Such nach unentdeckten Ruinen der Inka. Nach seiner Rückkehr erforscht er intensiv die Geschichte der Inka auf der Suche nach neuen historischen Spuren und steht im regen Briefkontakt mit dem Rektor der Universität von Cuzco. Vor allem die Geschichte des sagenumwobenen Goldes der Inka sowie die letzte Rückzugsstätte der Inka, Vilcabamba, fesseln Bingham.
1910 entscheidet er sich zu seiner nächsten großen Reise. In die Personalenzyklopädie „Who´s Who“ ließ er sich als „Entdecker“ eintragen – und behält diesen Eintrag auch sein Leben lang bei, selbst als er als einer der jüngsten jemals ernannten Professoren in Yale (sowie Harvard und Princeton) südamerikanische Geschichte lehrte, später Senator und dann selbstständiger Unternehmer wurde.
1911 bricht er endlich zu seiner lang ersehnten eigenen Forschungsreise auf, die zu der Entdeckung von Machu Picchu führen sollte. Die detaillierte Erforschung der Inkastätte überließ er, trotz seiner wiederkehrenden Reisen in die Anden, allerdings anderen. Er sah sich selbst als Entdecker – nicht als Archäologe.
Doch auch seine Laufbahn als Abenteurer ging mit seinem Besuch in den Anden 1915 dem Ende zu. Bingham hatte schon länger eine Leidenschaft für die Luftfahrt entwickelt. Als die USA 1917 in den 1. Weltkrieg eintraten, meldete Bingham sich trotz seines für den Kampfeinsatz fortgeschrittenen Alters bei der Luftwaffe der U.S.Army als Pilot. Er stieg bis zum Lieutenant- Colonel und Kommandant des U.S. Expeditionary Force Piloten-Trainingscamps in Frankreich auf.
Nach dem Krieg wandte Bingham sich der Politik zu und brachte es bis zum Senator, wurde allerdings 1929 vom Senat wegen undurchsichtiger Geschäfte mit einem Lobbyisten deutlich abgemahnt. 1932 zog er sich aus der Politik zurück und wurde Unternehmer – mit wechselndem Erfolg. Seine Frau Alfreda reichte kurz darauf die Scheidung ein. Sie wollte seine außerehelichen Affären, für die er schon in jüngeren Jahren berüchtigt war, nicht länger dulden. 1937 heiratete Bingham erneut. 1948 schrieb er seinen autobiographischen Bestseller „Lost City of the Incas“ – fast vierzig Jahre nach seiner bahnbrechenden Entdeckung von Machu Picchu. 1956 stirbt Bingham im Alter von 80 Jahren.
Der wahre und gierige Entdecker von Machu Piccchu
Bingham selbst war sich schon bei seinem ersten Besuch bewusst, dass er nicht der erste Entdecker von Machu Picchu war – das hatten die untrüglichen Indizien von landwirtschaftlicher Nutzung, die aufgefundenen Säcke mit Kartoffeln und der in einen Felsen gehauene Name „Lizarraga 1902″ eindeutig gezeigt.
Später ergaben seine eigenen Nachforschungen: Bauern hatten die Ruinen von Machu Picchu entdeckt, als sie den Wald rodeten und die Bäume anschließend verbrannten. Als die Flammen im Jahr 1901 außer Kontrolle geraten und auch den ursprünglich von den Inkas angelegten Weg nach Machu Picchu freilegten, gelang es dem Bauern „Lizarraga“, die Ruinen zu entdecken.
Aber Bingham hielt sich für denjenigen, der die Stätte wissenschaftlich erfasst und der Welt zugänglich gemacht hatte. 1912 verfasst er einen Brief an seinen ehemaligen Lehrer in Honululu, in dem er sich in dieser Hinsicht mit Columbus verglich: Zwar war dieser auch nicht der erste Mensch, welcher Nordamerika entdeckte, doch er machte den Kontinent bekannt. Bis heute ist die Bezeichnung „wissenschaftlicher“ Entdecker (‚Descubridor Cientifico‘) von Machu Picchu die auch offiziell für Bingham genutzte.
Spätere Historiker fanden allerdings heraus: Es gab noch eine Reihe Anderer, die Machu Picchu erstaunlich nahe gekommen waren und es zuletzt mit wahrscheinlich katastrophalen Folgen erreicht hatten.
Bereits im Jahr 1657 wurde das Land rund um die Ruinen von dem Augustinerorden gepachtet. Kenntnis von der prächtigen Stadt nahmen sie aber nicht, soviel man heute weiß.
Eine mysteriöse Karte vom Dezember 1874 hält noch mehr Informationen bereit. Der deutsche Ingenieur Herman Göhring sollte für die peruanische Regierung eine Straße vom Inland zum Pazifik finden. Die anlässlich dieses Unternehmens von Göhring erstellte Karte zeigt einen klaren Eintrag von Machu Picchu, allerdings keine Erwähnung der Ruinen und auch viele geographische Unstimmigkeiten.
Der österreichisch-französische Wissenschaftler Charles Wiener, der Peru in 1875 bereiste, wusste wiederum bereits von den Ruinen, die er „Malchopicchu“ nannte und in seinem 1880 erschienen Reisebericht „Perou et Bolivie“ erwähnte – allerdings auch hinzufügte, dass es ihm unmöglich gewesen war, sie selbst zu erklimmen. Bingham kannte Wieners Reisebeschreibungen ebenfalls.
Tatsächlich aber scheint Machu Picchu schon vor Göhring und Wiener, nämlich im Jahre 1867, auf geradezu skandalöse Art und Weise nicht nur entdeckt, sondern auch geplündert worden zu sein.
2008 entdeckte eine Gruppe von Wissenschaftlern des Französischen Instituts für Andenstudien (Ifea) in Lima eine Reihe von Karten, Briefen und anderen Dokumenten, die auf einen deutschen Einwanderer verweisen: Augusto Berns. Berns war Holzhändler und Goldsucher und hatte als solcher Abholz- und Schürfrechte in der Region um Machu Picchu erworben. Eine von Bingham in Machu Picchu gefundene „Maschine mit großen Eisenrädern“ gehörte wohl gar nicht den dort arbeitenden Bauern, sondern war wahrscheinlich von Berns zurückgelassen worden.
Sicher wird man nie sein können, doch es ist auffallend, dass Bingham und sein Team so gut wie kein Inka-Gold in Machu Picchu fanden. In einem Brief von Berns beschreibt dieser den Fund von „Gebäuden und unterirdischen Strukturen, die mit Steinen verschlossen sind und ohne Zweifel Objekte von großem Wert enthalten werden, die Teile des Inka-Schatzes sein könnten.“ Er schreibt weiterhin, er habe“die Unterstützung der Regierung, diese Schätze zu heben und zu veräußern.“ Inwieweit dies tatsächlich geschehen ist, werden wir vielleicht nie wissen.
Die Schatzsuche von Machu Picchu hört nicht auf
Nach wie vor zieht Machu Picchu nicht nur Touristen, sondern auch Abenteurer und Archäologen an. 2010 etwa entdeckte David Cresby, ein französischer Ingenieur, eine „versteckte Tür“ am Fuße eines der größeren Gebäude.
2012 sie wurde mit nicht-invasiver Technologie durchleuchtet; es bestätigte sich, dass dahinter eine Höhle sowie unter Umständen weiteres archäologisch wichtige Objekte verborgen sein könnten. Das Forscherteam stellte sogar die Vermutung auf, es könne sich bei dem verborgenen Raum um das Grab von Pachacutec handeln. Noch hat die peruanische Regierung einer Öffnung nicht zugestimmt; Machu Picchu hält hier, wie sicherlich noch an vielen anderen Stellen, weitere Geheimnisse verborgen.