
Museum Carlos Dreyer in Puno – Zeitreise durch die Geschichte des Altiplano
Vom Wohnhaus eines deutschen Künstlers zum kulturellen Herzstück Punos
Das städtisches Museum Carlos Dreyer ist das wichtigste Stadtmuseum von Puno und eines der bedeutendsten Kulturhäuser des gesamten Altiplano. Nur wenige Schritte von der Plaza de Mayor entfernt, bewahrt es archäologische Schätze, Kolonialkunst, sakrale Objekte und Zeugnisse des Alltagslebens – vom prähistorischen Fossil bis zur Malerei des 20. Jahrhunderts. Untergebracht ist das Museum im ehemaligen Wohnhaus des deutschen Malers Carlos Dreyer Spohr, der sich 1925 in Puno niederließ und dessen Leidenschaft für Kunst und Geschichte den Grundstein für diese außergewöhnliche Sammlung legte.
Heute führt ein Rundgang durch sechs Säle und drei Galerien und spannt einen Bogen von den frühen Kulturen des Andenraums über die Inka- und Kolonialzeit bis hin zu moderner Malerei und gelebter Tradition in Puno.
Geschichte des Museums
Von der Stadtbibliothek zum Regionalmuseum
Die Wurzeln des Hauses reichen bis ins Jahr 1902 zurück, als in Puno ein erstes Museo y Biblioteca Municipal eingerichtet wurde. Ziel war es, Bücher, Dokumente und erste historische Objekte der Region zu sammeln und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Carlos Dreyer und sein Haus in Puno
Der deutsche Bürger Carlos Dreyer Spohr kam 1925 nach Puno, heiratete María Dora Costa Rodríguez und machte sein Wohnhaus zu einem Ort der Kunst und Kultur. Hier sammelte er:
- archäologische Funde aus dem Altiplano,
- Gemälde und Skulpturen,
- historische Fotografien und Bücher,
- Alltagsgegenstände seiner Zeit.
1952 wurde offiziell das Museo Carlos Dreyer gegründet. 1976 erwarb der Provinzrat von Puno das Museum, das seitdem Teil des institutionellen Kulturerbes der Stadt ist. 1978 öffnete das Haus in seiner heutigen Form für die Öffentlichkeit.

Aufbau des Museums – Säle und Galerien
Das Museum verteilt sich auf zwei Ebenen mit insgesamt sechs Sälen und drei Galerien. Jeder Bereich ist thematisch gegliedert und macht einen eigenen Abschnitt der Geschichte und Kultur Punos erfahrbar.
Der erste Stock: Archäologie, Region und Leben des Gründers
Sala Paleontológica – Fossilien und frühe Kulturen
Die Sala Paleontológica führt weit zurück in die Erdgeschichte. Hier zu sehen sind:
- Fossilien von Mastodonten und Riesenfaultieren,
- Artefakte aus Obsidian, datiert in das Paleozoikum und Mesozoikum,
- Projektspitzen aus der Obsidianquelle von Chivay im Colca-Tal (Arequipa).
Daneben präsentiert der Saal Artefakte verschiedener vorinkaischer Kulturen: Nazca, Paracas, Mochica, Lambayeque, Pukara, Tiahuanaco, Chimú und Chancay. Von der Inka-Kultur werden Keramiken, bearbeitete Steine, Waffen, rituelle Instrumente und queros aus der Zeit des Tahuantinsuyo bis in die Kolonialzeit gezeigt.
Besonders hervorzuheben ist das Ölbild „Balseros“ von Carlos Dreyer selbst, das das Leben am Titicacasee im 20. Jahrhundert einfängt – balancierend zwischen Tradition und Moderne.
Galería Lítica – Steinskulpturen von Pukara und Tiahuanaco
In der Galería Lítica stehen monumentale Steinskulpturen im Mittelpunkt, insbesondere aus den Kulturen Pukara und Tiahuanaco. Ein Höhepunkt ist der monolitische „Suche Pukara“, eine eindrucksvolle Darstellung mit starkem Bezug zu Wasser, Fruchtbarkeit und andiner Religion. Die Steine sind mehr als nur Kunstwerke – sie sind Mitteilungen eines Glaubenssystems, in dem Flüsse, Seen und Berge als lebendige Wesen verstanden werden.

Sala Regional – Archäologie der Region Puno
Die Sala Regional widmet sich den archäologischen Funden aus der weiteren Umgebung Punos. Zu sehen sind:
- Musikinstrumente,
- Keramiken,
- in Stein gehauene Figuren und Symbole.
Diese Objekte dokumentieren die enge Beziehung zwischen Mensch und Natur im Altiplano – von der landwirtschaftlichen Produktion bis hin zu rituellen Handlungen.
Sala Dreyer Costa – Erinnerungen an den Gründer
Die Sala Dreyer Costa ist dem Leben von Carlos Dreyer und seiner Ehefrau gewidmet. Hier finden sich:
- metallene Objekte wie Schwerter und Arkebusen,
- persönliche Gegenstände des Ehepaars Dreyer–Costa,
- nationale Wappen und repräsentative Objekte der Epoche.
Der Saal vermittelt einen Einblick in die Welt eines europäischen Künstlers, der Puno zu seiner Heimat machte und mit seiner Sammelleidenschaft wesentlich zur Bewahrung der regionalen Geschichte beitrug.
Der zweite Stock: Sillustani, Kolonialkunst und religiöse Schätze
Sala Sillustani – Schatzkammer des Colla-Reichs
Die Sala Sillustani vereint Objekte aus dem archäologischen Komplex Sillustani. Zu den Highlights zählen:
- der sogenannte „Tesoro de Sillustani“ – Diademe, Goldblechstücke und Schmuckornamente,
- fünf Mumien samt ihrer Grabbeigaben,
- eine Rekonstruktion einer Chullpa, wie sie zur Bestattung von Colla-Herrschern diente.
Skulpturen und Grabbeigaben veranschaulichen die tiefe Verwurzelung des Andenmenschen im Ahnenkult und seine Vorstellung vom Übergang in eine andere Daseinsform.
Galería Pinacoteca – Malerei aus Puno und der Welt
In der Galería Pinacoteca werden Ölgemälde puneñischer, peruanischer und internationaler Künstler ausgestellt. Besonders präsent sind Werke des Círculo pictórico Laykakota, einer Künstlergruppe, die sich in Zeiten sozialer Ungleichheit mit indigenen Rechten und Identität auseinandersetzte.
Die Gemälde zeigen das alte und moderne Puno, das Leben am Titicacasee, Feste, Landschaften und Szenen des Alltags – ein reiches Bildarchiv für Forschende und Kunstliebhaber.
Sala Colonial – Silber, Metalle und Alltagsobjekte
Die Sala Colonial präsentiert Objekte aus Silber und anderen Metallen, die in Haushalten und im Adel der Kolonialzeit Verwendung fanden. Viele Stücke stammen aus den großen Gold- und Silberminen des südlichen Vizekönigreichs Peru.
Zu sehen sind:
- hauswirtschaftliche Gerätschaften,
- schmückende Gefäße,
- fein gearbeitete Dekorobjekte.
Die Vielfalt der Formen und Techniken – Schmieden, Gravieren, Treiben – erzählt von der Verbindung aus europäischer Metallkunst und andinem Geschick.
Sala Religiosa Colonial – Glaube und Andacht
Die Sala Religiosa Colonial widmet sich der katholischen Kunst und Frömmigkeit der Kolonialzeit. Hier finden sich:
- religiöse Gemälde auf Leinwand,
- ein transportables Retabel,
- Skulpturen aus Maguey, Elfenbein und anderen Materialien,
- liturgische Gewänder,
- Möbel und Einrichtungsgegenstände.
Die Exponate zeigen, wie christliche Ikonografie in den Anden aufgenommen, umgedeutet und mit lokalen Symbolen verwoben wurde.
Galería de Maquetas – Miniaturtänze und Trachten Punos
In der Galería de maquetas werden Miniaturfiguren von Tänzen und Trachten der Region Puno ausgestellt. Detailreich gestaltete Modelle dokumentieren:
- traditionelle Festkleidung,
- Choreografien und Figuren der Tänze,
- Bezüge zu agrarischen, pastoralen und sozialen Festen.
Die Galerie ist ein bedeutender Ort zur Bewahrung und Erforschung der Trachtenkultur Punos – und ein visuell faszinierender Zugang zur Welt der Candelaria, der Bauernfeste und der städtischen Umzüge.
Kulturelle Aktivitäten und „Semilla del Tiempo“
Das Museo Municipal Carlos Dreyer ist nicht nur ein Ort der Aufbewahrung, sondern ein lebendiger Kulturraum. Regelmäßig finden statt:
- Vorträge und Gesprächsrunden,
- Buchpräsentationen und wissenschaftliche Veranstaltungen,
- Nutzung einer Bibliothek für Forschung und Studium.
Besonders bemerkenswert ist das Projekt der „Semilla del Tiempo“ – einer „Zeitkapsel“, in der Botschaften für die Zukunft aufbewahrt werden: Briefe, Pläne, Fotografien, USB-Sticks, Miniatur-Objekte und weitere symbolische Gegenstände aus den Provinzen der Region Puno. Damit wird das Museum selbst zu einem Zeugen künftiger Erinnerungen.
Besuch des Museo Municipal Carlos Dreyer
Lage und Zugang
- Route: Plaza de Armas de Puno – Museo Municipal Carlos Dreyer
- Art des Zugangs: zu Fuß
- Untergrund: asphaltiert
- Distanz/Zeit: etwa 100 Meter, ca. 5 Minuten
Durch seine Lage direkt im historischen Zentrum lässt sich der Museumsbesuch bequem mit einem Stadtrundgang, einem Besuch der Kathedrale oder einem Spaziergang zum Hafen verbinden.
Eintrittspreise
- Ausländische Besucher: ca. S/ 15,00
- Ausländische Studierende: ca. S/ 10,00
- Peruanische Besucher: ca. S/ 10,00
- Lokale Besucher aus Puno: ca. S/ 2,00
- Universitätsstudierende: ca. S/ 2,00
- Schülerinnen und Schüler: ca. S/ 1,00
Öffnungszeiten
- Montag bis Freitag: ca. 09:00–18:00 Uhr
- Samstag: ca. 09:00–16:00 Uhr
- Besuch möglich: das ganze Jahr über
Tipps für Besucher
- Zeit einplanen: Mindestens 1–2 Stunden einplanen, um alle Säle in Ruhe zu erkunden.
- Kombination mit anderen Sehenswürdigkeiten: Ideale Ergänzung zu Besuchen in Sillustani, auf den Uros-Inseln oder im historischen Zentrum.
- Höhenlage beachten: Das Museum liegt wie Puno auf über 3.800 m – langsames Gehen und ausreichend Flüssigkeit sind empfehlenswert.
- Fotografie: Hinweise vor Ort beachten; manche Objekte dürfen eventuell nur eingeschränkt fotografiert werden.
Das Museo Municipal Carlos Dreyer ist damit weit mehr als ein klassisches Stadtmuseum. Es ist ein komprimiertes Panorama der Geschichte Punos – von den ältesten Spuren des Lebens im Altiplano über die großen präkolumbischen Kulturen und die Inka- und Kolonialzeit bis hin zur heutigen Kunst und Identität der Stadt am Titicacasee.

