
Templo de San Antón – Spätbarocker Mestizenbau im Altiplano von Puno
Überblick: Letztes Zeugnis des Barroco Mestizo im Collao
Der Templo de San Antón gilt als eines der letzten Beispiele hispanischer Sakralarchitektur im Collao-Hochland. Er befindet sich im alten Dorf San Antón, Provinz Azángaro, Region Puno, und wurde in der ersten Dekade des 19. Jahrhunderts errichtet. Mit seinen rustikal gefügten Steinmauern, dem ursprünglichen Ziegeldach und einer reich dekorierten Fassade ist der Bau eine späte, volkstümliche Ausprägung des berühmten Barroco Mestizo des peruanischen Altiplano.
Seine Entstehung ist eng mit der Bergbaugeschichte und der Viehproduktion des Distrikts San Antón verknüpft: Die Erträge aus Minen und Herden ermöglichten den Bau einer Kirche, die bis heute das spirituelle und kulturelle Zentrum der Gemeinde bildet.
Geschichte des Templo de San Antón
Der Templo de San Antón entstand zu einer Zeit, als die großen Zentren des Barroco Mestizo – wie Puno, Juli oder Lampa – ihre Blüte bereits erlebt hatten. Im alten Dorf von San Antón griff man noch einmal auf dieses Repertoire zurück und übertrug es in eine volkstümliche, vereinfachte Form.
- Erste Dekade des 19. Jahrhunderts: Bau der Kirche aus grob behauenen Steinen, mit einfachem, rustikalem Mauerwerk und Ziegeldach.
- 1824: Fertigstellung der Hauptportada, die den spätbarocken, mestizischen Charakter der Kirche eindrucksvoll zeigt.
- 19. Jahrhundert: Nutzung der Kirche als Mittelpunkt des religiösen Lebens im kolonialen und republikanischen San Antón, eng verbunden mit Minen- und Viehwirtschaft.
Heute gilt der Templo de San Antón als eine der letzten kolonial geprägten Kirchenbauten dieser Region und als wertvolles Zeugnis der Übergangszeit zwischen Kolonialstil und republikanischen Bauformen.

Architektur: Späte Mestizeninterpretation des Barocks
Die Kirche ist aus Stein im rustikalen Verband errichtet, mit schlichten, massiven Wänden und einem ursprünglichen Dach aus Ziegeln. Gerade in dieser Einfachheit und in der handwerklichen Unvollkommenheit zeigt sich eine sehr menschliche, volkstümliche Variante des Barroco Mestizo.
Fassade und Portada
Die Hauptfassade des Templos de San Antón wurde 1824 vollendet und trägt noch einmal die Bildsprache des Andenbarock in sich – allerdings in einer naiven, intuitiven Interpretation durch lokale Steinmetze.
- Barroco Mestizo: Ornamentik, die europäische Formen mit lokalen Symbolen verbindet.
- Figuren: Darstellungen von Sirenen und Löwen, wie sie in den Portadas des Collao häufiger vorkommen – hier jedoch in besonders volkstümlicher Ausführung.
- Ornamente: Klassische Dekorelemente, geometrische und florale Motive werden mit spürbarer Improvisation und Fantasie umgesetzt.
Es ist diese Mischung aus Klassizismus-Versuch und handwerklicher Spontaneität, die der Fassade ihren besonderen Charme verleiht. Man spürt, wie die Handwerker klassische Muster „nachzeichnen“, sie aber in eine eigene, ländliche Bildsprache übersetzen.
Raumgliederung und Außenansichten
Der Baukörper des Templos ist von mehreren Bauteilen umgeben, die ihm eine vielseitige Silhouette verleihen. Je nach Himmelsrichtung zeigen sich unterschiedliche Gesichtszüge der Kirche:
- Nordfassade: Baptisterium, Glockenturm, Mauerzüge, Kapelle der Epistel, Sakristei und ein Teil des Presbyteriums, verstärkt durch fünf steinerne Strebepfeiler.
- Westseite: Sakristei, Garten (Huerta), Rückwand des Presbyteriums und Kapelle des Evangeliums.
- Südseite: Sakristei, Kapelle des Evangeliums, einfach gestaltete Seitenportada und fünf Strebepfeiler.
- Ostseite: Hauptportada, Baptisterium, zwei Türme – einer davon als Glockenturm –, dazu Atrium und Freitreppe als Zugang.
Diese klare Gliederung macht deutlich, wie sehr der Templo de San Antón nicht nur als Gotteshaus, sondern auch als organisierendes Zentrum des Dorfes gedacht war.
Innenraum, Altar und Chor
Im Inneren zeigt sich der Templo de San Antón als schlichte, aber ausdrucksstarke Dorfkirche, in der sich barocke Traditionen mit lokalen Bedürfnissen verbinden.
Nave und Altarraum
- Nave: Hauptschiff mit abgeschrägten Fensteröffnungen (vanos abocinados), die das Licht sanft in den Raum leiten.
- Hauptaltar: Retabel aus drei „Straßen“ (vertikalen Achsen) und drei Ebenen, insgesamt mit fünf Nischen für Heiligenbilder.
- Seitenaltäre: Retabel in der Epistel-Seite aus Stuck (Yeso), die eine leichtere, modellierbare Oberfläche zeigen.
- Boden: Fußboden aus Holzbohlen, der der Kirche eine warme, etwas rustikale Atmosphäre verleiht.
Chor und Orgel
Über dem Eingangsbereich befindet sich der Chor, abgeschlossen durch einen Arco carpanel – einen Segmentbogen, der dem Raum Tiefe gibt.
- Orgel: Eine Balgorgel (Órgano de fuelle), ein wichtiges Zeugnis der liturgischen Musiktradition von San Antón.
- Zugang: Erreichbar über eine Steintreppe an der linken Seite des Unterchores.
Für Besucher:innen, die Geschichte und Kirchenmusik schätzen, ist dieser Bereich ein eindrucksvoller Hinweis auf das religiöse und kulturelle Leben vergangener Jahrhunderte.

Templo de San Antón als touristische Sehenswürdigkeit
Der Templo de San Antón ist nicht nur ein architektonisches Zeugnis, sondern auch ein hervorragender Ort, um das Dorfleben im Altiplano zu erleben. Das ursprüngliche koloniale Dorf, die umliegenden Apus (Berggeister) und die ausgedehnten Weiden mit einheimischem Vieh bilden eine stimmige Kulisse.
- Architektur: Spätbarocker Mestizenstil, einer der letzten seiner Art im Collao.
- Dorfatmosphäre: Ursprüngliches, kolonial geprägtes Siedlungsbild.
- Folklore: Tänze, Feste und Musik, vor allem während des Festivals im Juni.
- Landschaft: Weite Hochlandprärien, bewacht von den Apus tutelares, den Schutzbergen der Gemeinde.
Anreise zum Templo de San Antón
Der Templo de San Antón ist von Azángaro aus gut erreichbar. Die Route führt zunächst über die Interozeanica und anschließend in das alte Dorf von San Antón.
Azángaro – San Antón
- Strecke: Puno -> Azángaro -> Azángaro -> San Antón
- Abschnitt: Terminal Zona Norte (Jr. Arequipa) von Azángaro – Paradero San Antón
- Verkehrsmittel: Combi (Minibus) oder ähnlicher öffentlicher Transport
- Straßenart: Asphaltiert
- Distanz & Fahrzeit: ca. 56 km, rund 1 Stunde
Im Distrikt San Antón
- Strecke: Paradero San Antón – Plaza des alten Dorfes San Antón
- Verkehrsmittel: Taxi oder lokaler Transport
- Straßenart: Afirmado (Schotter-/Erdstraße)
- Distanz & Fahrzeit: ca. 2 km, etwa 10 Minuten
- Zu Fuß: Plaza des alten Dorfes – Templo de San Antón
- Distanz & Gehzeit: ca. 50 m, rund 5 Minuten
Dank der Lage nahe der Plaza ist der Tempel leicht zu finden und lässt sich gut mit einem Rundgang durch das alte Ortszentrum verbinden.
Beste Reisezeit und Besuchszeiten
Der Templo de San Antón kann das ganze Jahr über besucht werden. Das Hochlandklima bringt starke Sonneneinstrahlung am Tag und kühlere Temperaturen am Morgen mit sich, weshalb entsprechende Kleidung empfehlenswert ist.
Öffnungszeiten
- Besuchszeitraum: Ganzjährig
- Übliche Öffnungszeiten: ca. 08:00 Uhr – 12:00 Uhr
- Kontakt vor Ort: Pbro. Wilber Choquehuanca Mamani, Pfarrer von San Antón, Tel.: 921 090 909
Religiöse Feste, Folklore und Aktivitäten
Der Templo de San Antón ist ein lebendiger Ort, an dem sich Glaube, Folklore und Dorfgemeinschaft begegnen. Besonders lohnend ist ein Besuch zu den Festtagen im Juni.
Religiöse und folkloristische Aktivitäten
- 24. Juni: Tanzwettbewerb im Atrium des Tempels, mit Gruppen aus der Region und typischen Tänzen des Altiplano.
- Religiöse Feiern: Messen, Prozessionen und Feste, die christliche Tradition mit lokalen Bräuchen verbinden.
Weitere Aktivitäten
- Fotografie & Film: Der Tempel, das koloniale Dorf, die Apus im Hintergrund und die Viehherden auf den Prärien bieten eindrucksvolle Motive.
- Studien & Forschung: Interessant für Kunsthistoriker:innen, Ethnolog:innen und alle, die sich mit dem späten Barroco Mestizo und der Religionsgeschichte des Altiplano befassen.
- Landschaftsbeobachtung: Weite Blicke über das Hochland, traditionelle Weiden und die Schutzberge der Gemeinde.
Praktische Tipps für den Besuch des Templo de San Antón
- Respektvoller Besuch: Der Tempel ist ein aktiver Gottesdienstraum – angemessene Kleidung und ruhiges Verhalten sind wichtig.
- Höhenlage: Der Distrikt liegt im Altiplano – langsam bewegen, ausreichend Wasser trinken und sich an die Höhe anpassen.
- Ausrüstung: Sonnenschutz, Windjacke, eventuell Regenjacke (besonders in der Regenzeit), festes Schuhwerk.
- Festtage nutzen: Wer Folklore und Tanzwettbewerbe erleben möchte, plant den Besuch zum 24. Juni oder rund um das Juni-Festival.
- Architekturdetails studieren: Zeit nehmen, um die Sirenen, Löwenfiguren, die einfachen, aber ausdrucksstarken Ornamente und den Innenraum mit Chor und Orgel zu betrachten.
Ein Besuch des Templo de San Antón eröffnet einen Blick auf eine der letzten kolonial geprägten Kirchen des peruanischen Altiplano – eingebettet in eine Landschaft aus Apus, Prärien und traditioneller Viehzucht, in der Geschichte und Gegenwart noch spürbar ineinandergreifen.

Karte
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Weitere Infos & Tipps
- Chullpas de Santa María – präinkaische Grabtürme bei San Antón
- Capilla Pentecostés Esmeralda – einsame Landkapelle im Hochland von Azángaro
- Templo Santiago Apóstol in Santiago de Pupuja – Meisterwerk der Mestizenarchitektur im Altiplano
- Archäologische Stätte Machu Asillo – Calvario de Asillo über dem Altiplano von Puno
