
Templo de San Miguel de Ilave – Barockes Heiligtum im Aymara-Altiplano
Überblick: Hauptkirche am Plaza de Armas von Ilave
Der Templo de San Miguel de Ilave befindet sich an der Westseite der Plaza de Armas der Stadt Ilave, Provinz El Collao, Region Puno. Er ist das wichtigste kirchliche und architektonische Monument der Provinz und eine der ältesten Kirchen im Aymara-Gebiet des peruanischen Altiplanos. Der Zugang erfolgt über einen rund 20 Meter langen Korridor, der den heutigen Kirchenbau mit dem Platz verbindet und auf die historische Entwicklung des Atriums verweist.
Der Templo de San Miguel ist Teil des frühen pastoralen Systems im Collao und spiegelt mehr als drei Jahrhunderte Bautätigkeit, Umgestaltung und Ausstattung wider. Im Hochaltar thront die Statue des Erzengels San Miguel, Patron der „foráneos“, der Fremden und Reisenden, und macht die Kirche zu einem wichtigen Ziel für Gläubige, Pilger und kulturinteressierte Besucher.
Historische Entwicklung: Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert
Die Geschichte des Templo de San Miguel ist reich dokumentiert und zeigt, wie sich die Kirche von einem frühen Kolonialbau zu einem komplexen, reich ausgestatteten Heiligtum entwickelte.
Gründung im 16. Jahrhundert
- 7. Oktober 1567: Diez de San Miguel erhält das Grundstück, das von den Caciques der Ayllus von Hilavi geschenkt wurde – offizieller Startpunkt für den Bau des Tempels.
- 1583: Es wird berichtet, dass San Miguel überdacht wird, der Bau der ersten Kirchenschale ist damit weit fortgeschritten.
17. Jahrhundert: Ausbau und barocke Pracht
- 1632: Bau der Capilla Mayor (Hauptkapelle) und Einrichtung der Kapelle des Niño Jesús; das Baptisterium wird verkleidet und ein Taufbecken geschaffen.
- 1634: Ankauf von 2.000 „Panes“ Gold und Silber, um die Capilla Mayor zu vergolden.
- 1641: Vergoldung des Retablos (Hochaltarretabel).
- 1642–1644: Abschluss der Ausmalung der Capilla Mayor; Anbringung des Retablos der Dreifaltigkeit, der Bilder der Assunta und der Virgen de la Soledad sowie des Kanzelkorbs.
Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts waren Türme, Retabel und Hauptstruktur weitgehend fertiggestellt, der Tempel etablierte sich als Zentrum der katholischen Präsenz im Aymara-Gebiet.
18. Jahrhundert: Erweiterung und künstlerische Ausstattung
- Anfang 18. Jh.: Komposition und Bemalung des Altars der Inmaculada Concepción, Reparatur und Stimmung der Orgel, Beginn eines neuen Kanzelprojekts.
- 1712–1715: Anbringung von vier großen Leinwänden im Hauptaltar, Einbau von neun Spiegeln im Tabernakel und (gradillas de plata).
- 1718: Stimmung der Orgel.
- 1720: Errichtung des ochavado-Giebels (achtkantiger Giebelaufsatz).
- 1721: Anschaffung von Zimmermannswerkzeug; Neuerrichtung des Daches, Bau des Chorobergeschosses, Verputz und Weißfassung der Wände.
- 1725: Erwerb von 14 neuen Leinwänden, Erneuerung verschiedener Bildnisse, Bau einer neuen Orgel.
- 1726: Fertigstellung der Empore des Hochchores an der Turmseite.
In dieser Phase gewann der Tempel seinen barocken Charakter, reich ausgestattet mit Gemälden, Skulpturen, Spiegeln und edlen Materialien – ein sichtbarer Ausdruck des Wohlstands und der religiösen Bedeutung Ilaves.
Spätes 18. Jahrhundert: Umbauten und Ergänzungen
- 1741: Einbau eines neuen Sagrarios (Tabernakel); Einsturz einer Kapelle gegenüber dem Baptisterium.
- 1763: Wiederaufbau dieser Kapelle, Pflasterung des Presbyteriums, Eindeckung der Kapelle der ánimas (Seelen im Fegefeuer).
- Vervollständigung des liturgischen Mobiliars, u. a. mit einem Trag-Tabernakel für Fronleichnamsprozessionen und einem Weihwasserbecken aus „berenguela“.

19. Jahrhundert: Verkürzung und Neugestaltung
- 1860: Montage eines Gitters um das Presbyterium, Restaurierung von zwei Leinwänden.
- 1881: Bau eines neuen Kanzelkorbs, Pflasterung des Bodens, Einbau von zwei Säulen.
- 1882: Erneuerung von Dach, Fundamenten und Trennwand – Verkürzung des Tempels, wodurch der in den 1720er Jahren geschaffene erweiterte Grundriss wieder reduziert wird.
In dieser Zeit wurde der ursprüngliche Kirchenhof (Atrium), der einst auch als Friedhof diente, parzelliert und verkauft. Dadurch verlor der Zugang seinen offenen Charakter und wurde zu einem langen Korridor, der den heutigen Kontakt zwischen Tempel und Plaza de Armas bildet.
Architektur und Innenausstattung
Der Templo de San Miguel de Ilave ist ein Beispiel für die Kolonialarchitektur im Altiplano, in der sich europäische barocke Formen mit lokalen Traditionen verbinden.
- Grundriss: klassischer Langhausbau mit Hauptschiff und Capilla Mayor.
- Fassade: massives Mauerwerk mit Türmen, Giebelaufsätzen und dekorativen Elementen im barocken Stil.
- Innenraum: reich dekoriert mit Retabeln, Leinwänden und Skulpturen, insbesondere im Hauptaltar.
- Orgel und Chor: mehrmals erneuerte Orgel, Chortribüne im oberen Bereich (nicht mehr in der ursprünglichen barocken Ausdehnung vorhanden).
Die Ausstattung erzählt die Geschichte von Jahrhunderten lokaler Frömmigkeit, künstlerischer Patronage und ständigen Anpassungen an neue liturgische und ästhetische Vorstellungen.
San Miguel – Patron der Fremden
Im Altar Mayor des Tempels befindet sich die Figur des Erzengels San Miguel, der in Ilave als Patrón de los foráneos – Patron der Fremden, Reisenden und Zugezogenen – verehrt wird. Seine Präsenz spiegelt die Rolle Ilaves als Knotenpunkt zwischen Aymara-Gemeinden, Handelsrouten und Pilgerwegen wider.
Im Jahresverlauf finden zahlreiche religiöse Feiern, Patronatsfeste und Prozessionen statt, bei denen der Tempel Zentrum des religiösen und kulturellen Lebens der Stadt ist. Für Besucher bietet sich die Gelegenheit, die lebendige Aymara-Religiosität im Zusammenspiel mit der katholischen Tradition zu erleben.
Anreise und Lage in Ilave
Der Templo de San Miguel ist durch seine Lage an der Plaza de Armas sehr leicht zu finden und zu Fuß zu erreichen.
- Plaza de Armas von Ilave – Templo de San Miguel
Zugang: zu Fuß
Weg: asphaltierte Straßen, Zugang über einen ca. 20 m langen Korridor auf der Westseite des Platzes
Distanz/Zeit: etwa 70 m / 5 Minuten
Ilave selbst liegt an der Hauptverbindungsroute entlang des Titicacasees und kann von Puno und anderen Städten der Region aus mit Bus, Minibus oder Taxi erreicht werden.
Besuchszeiten und Hinweise
Der Tempel kann ganzjährig besucht werden, die Öffnungszeiten sind jedoch in der Regel auf die Vormittagsstunden begrenzt und erfordern eine vorherige Absprache mit der Pfarrei.
- Besuchszeitraum: das ganze Jahr
- Übliche Besuchszeiten: 08:00 – 12:00 Uhr
- Hinweis: Vor dem Besuch sollte mit der örtlichen Parroquia (Pfarrgemeinde) Kontakt aufgenommen werden, insbesondere für Führungen oder Innenbesichtigungen.
Beim Besuch wird empfohlen:
- respektvolle Kleidung zu tragen,
- während Gottesdiensten und Gebeten diskret zu fotografieren oder darauf zu verzichten,
- auf historische Ausstattung, Bilder und Retabel sorgsam zu achten.
Erlebnisse für Besucher
Der Templo de San Miguel de Ilave ist ein lohnendes Ziel für alle, die sich für Architektur, Geschichte, Religion und Aymara-Kultur interessieren.
- Fotografie und Film
Die Kombination aus Kolonialarchitektur, Platzszene und Hochlandlicht macht den Tempel zu einem hervorragenden Motiv für Außen- und Innenaufnahmen. - Religiöse und patronale Aktivitäten
Teilnahme an Messen, Festtagen und Prozessionen ermöglicht einen authentischen Einblick in das religiöse Leben im Collao. - Studien und Forschung
Der Tempel bietet reiches Material für Studien zur Kirchengeschichte, Kunstgeschichte, Ethnographie und Stadtentwicklung in einem Aymara-Kontext.
Als Hauptkirche der Provinz El Collao und eines der ältesten sakralen Bauwerke des Aymara-Altiplanos vereint der Templo de San Miguel de Ilave architektonische Schönheit, historische Tiefe und gelebte Spiritualität – ein Höhepunkt jeder Kulturreise rund um den Titicacasee.

