
Templo Santiago Apóstol in Santiago de Pupuja – Meisterwerk der Mestizenarchitektur im Altiplano
Überblick: Dorf der Steinmetze und Töpfer
Der Templo Santiago Apóstol erhebt sich im Herzen des Andendorfes Santiago de Pupuja in der Provinz Azángaro, Region Puno. Der Ort erlangte im 18. und 19. Jahrhundert große Bedeutung als handwerkliches Zentrum: Hier wurden die berühmten tejas vidriadas, glasierte Ziegel, gefertigt, mit denen zahlreiche Kirchen der Region gedeckt wurden. Gleichzeitig entstand in Pupuja eine der bedeutendsten mestizischen Steinhauerschulen des Altiplano – deren Können sich bis heute in der Fassade und den Details des Tempels widerspiegelt.
Geschichte des Templo Santiago Apóstol
Die Errichtung des Tempels von Santiago de Pupuja begann im Laufe des 18. Jahrhunderts, in einer Blütezeit mestizischer Kunst und Architektur im südlichen Hochland Perus. In der Gewölbedecke des Chors ist zu lesen, dass die Arbeiten im Jahr 1767 abgeschlossen wurden.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Tempel als Bau aus fein behauenen Steinquadern (Piedra de Cantería) beschrieben, dessen sorgfältig gearbeitete Teile deutlich mit dem eher roh belassenen Stein des übrigen Kirchenkörpers kontrastierten. Im 19. Jahrhundert erfuhr der Tempel weitere Eingriffe:
- 1830: Entstehung eines neoklassischen steinernen Retabels, ähnlich jenen in Puno und Pucará.
- 1844: Instandsetzung einer Kapelle mit Strohdach auf dem Friedhof.
- 1847: Ein Blitzschlag beschädigte den Chor und die Orgel.
Trotz dieser Ereignisse bewahrte der Templo Santiago Apóstol seine Position als religiöses Zentrum und als Schaubühne der außergewöhnlichen Steinmetzkunst von Santiago de Pupuja.
Architektur: Mestizenbarock und Steinmetzkunst
Der Templo Santiago Apóstol ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie sich lokale Traditionen, christliche Symbole und europäische Formen zu einer eigenständigen mestizischen Architektur verbinden. Der Bau wirkt massiv und zugleich elegant, eingerahmt von einem umgebenden Mauerwerk; zur Plaza hin öffnet sich eine Arkadengalerie aus Adobe, die dem Ensemble einen warmen, erdigen Charakter verleiht.
Portale und dekorative Synthese
Die Kirche verfügt über eine Hauptfassade und eine Seitenportada, die beide die Handschrift der lokalen Steinmetzschule tragen:
- Hauptportal: In ein blindes Bogenfeld (Arco ciego) eingelassen – ein steinernes „Bühnenbild“, das den Eingang wie ein Retabel rahmt.
- Seitenportal: Vertieft in einer großen Nischenarchitektur (Arco hornacina), die dem Zugang Tiefe und Schatten verleiht.
- Mestizische Dekoration: Besonders auffällig ist die Darstellung einer Sirene mit vegetaler Schwanzform und Federn – ein Sinnbild der Verschmelzung von lokalen, christlichen und mythologischen Motiven.
Die Hauptportada zeigt eine deutliche Tendenz zur Dekoration mit geometrischen und pflanzlichen Motiven. Ranken, Blätter und abstrahierte Muster überziehen die Steinflächen wie ein Textilgewebe in Stein.
Salomonische Säulen und plateresker Einfluss
Besonders charakteristisch für den Tempel sind die salomonischen Säulen der Fassade:
- Salomonische Säulen: Schraubenförmig gedrehte Säulen, deren Schäfte mit Akantuslaub und anderen Pflanzendekoren verziert sind.
- Plateresker Einfluss: Die Säulen erinnern an die fein detaillierte Silber- und Steinbearbeitung der plateresken Tradition, übertragen auf die Anden.
- Komposition: Die Säulen bestehen aus übereinander gesetzten Elementen, die nach oben hin schmaler werden und so den Blick in die Höhe leiten.
Pinakeln auf Gesimsen, Pilastern und kleinen Kuppeln lockern die massiven Steinmassen auf und verleihen der Fassade eine vertikale Dynamik.
Türme und Gesamtwirkung
Der Tempel besitzt zwei Türme mit drei kräftigen Geschossen, deren relative Schlichtheit stark mit der reich dekorierten Portada kontrastiert. Gerade dieses Spannungsverhältnis zwischen einfacher Turmarchitektur und detailverliebter Eingangsfassade macht den Reiz des Baus aus.
Insgesamt ist die Kirche ein solider, in sich stimmiger Baukörper, der von einem umgebenden Mauerwerk eingefasst wird. Das Zusammenspiel aus Stein, Adobe-Arkaden und dem Platzraum von Santiago de Pupuja schafft eine Atmosphäre, in der sakrale Architektur und Dorfalltag eng miteinander verwoben sind.

Innenraum, Retabel und Ausstattung
Der Innenraum des Templos Santiago Apóstol besitzt einen hohen skulpturalen Wert. Ein Reichtum an Heiligenbildern, geschnitzten Figuren und bemalten Tafeln zeugt vom künstlerischen Anspruch der Gemeinde.
Retabel und Ausstattung
- Neoklassischer Steinretabel: Ein großformatiges, steinernes Retabel aus dem Jahr 1830, stilistisch mit den Altären von Puno und Pucará verwandt.
- Bilder und Skulpturen: Fülle an Heiligenstatuen, Reliefs und estofierten Gemälden (vergoldete, reich bemalte Tafeln).
- Media Naranja: Die Kuppel („Halbkugel“) über dem Hauptraum und das Portal zeigen eine besonders sorgfältige plastische Gestaltung.
Trotz der Schäden durch den Blitzschlag von 1847, der Chor und Orgel in Mitleidenschaft zog, bewahrte der Tempel seine künstlerische Ausstrahlung. Reparaturen und Ergänzungen im 19. Jahrhundert trugen dazu bei, die Ausstattung zu sichern.
Handwerk, Dörferkultur und lebendige Traditionen
Der Tempel ist untrennbar mit der Geschichte des Distrikts Santiago de Pupuja verbunden. Das Dorf ist bekannt für:
- Keramikkunst: Traditionelle und zeitgenössische Keramik, die von den lokalen Werkstätten hergestellt wird – ein Erbe jener Zeiten, in denen Pupuja glasierte Ziegel für Kirchen der ganzen Region lieferte.
- Bräuche und Tänze: Feste, Prozessionen und Volkstänze, die indigene und christliche Elemente verbinden.
- Kulturelle Identität: Eine ausgeprägte mestizische Kultur, die sich in Architektur, Kunsthandwerk und religiösen Ausdrucksformen spiegelt.
Für Reisende, die Kultur, Architektur und lebendige Traditionen im Altiplano kennenlernen möchten, ist Santiago de Pupuja mit seinem Tempel Santiago Apóstol ein besonders spannendes Ziel.

Anreise zum Templo Santiago Apóstol
Der Templo Santiago Apóstol ist von Azángaro aus leicht zu erreichen und liegt nur wenige Gehminuten vom Ankunftspunkt im Dorf entfernt. So lässt sich die Besichtigung des Tempels gut mit einem Spaziergang durch Santiago de Pupuja verbinden.
Route Azángaro – Santiago de Pupuja
- Strecke: Puno / Azángaro / Azángaro – Puno / Azángaro / Santiago de Pupuja
- Abschnitt: Paradero in Azángaro – Paradero in Santiago de Pupuja
- Art des Zugangs: Terrestrisch
- Verkehrsmittel: Privater Pkw oder Taxi (auch öffentliche Fahrzeuge je nach Angebot)
- Straßenart: Asphaltiert
- Distanz & Fahrzeit: ca. 12 km / rund 20 Minuten
Zu Fuß im Dorf
- Strecke im Ort: Paradero von Santiago de Pupuja – Templo Santiago Apóstol
- Art des Zugangs: Zu Fuß
- Distanz: ca. 50 m
- Gehzeit: etwa 5 Minuten
Dank der zentralen Lage an der Plaza ist der Tempel leicht zu finden und eignet sich als Ausgangspunkt, um Dorfleben, Keramikwerkstätten und Festtraditionen kennenzulernen.
Beste Reisezeit und Besuchszeiten
Der Templo Santiago Apóstol kann grundsätzlich das ganze Jahr über besucht werden. Besonders lebendig präsentiert er sich jedoch an Wochenenden und zu wichtigen Festtagen.
Öffnungszeiten
- Empfohlene Besuchstage: Vor allem Wochenenden
- Übliche Öffnungszeiten: ca. 08:00 Uhr – 14:00 Uhr
- Besonders wichtig: Samstage, Sonntage und Mittwoche, der in der Ortschaft als besonderer Wochentag gilt.
Religiöse Feste, Kultur und Veranstaltungen
Santiago de Pupuja ist auch als Fest- und Tanzort bekannt, in dem religiöse Feiern und Volkskultur eng miteinander verwoben sind.
Patronatsfeste und religiöse Feiern
- 26. – 28. Juli: Festlichkeiten zu Ehren des San Santiago.
- 14. September: Feier des Señor de la Exaltación.
Zu diesen Festen füllen Prozessionen, Messen, Musik und Tänze die Straßen rund um den Tempel. Besucher erleben hier die lebendige Religiosität des Altiplano in unmittelbarer Nähe zur kolonialen Architektur.
Kunsthandwerk, Karneval und Forschung
- Keramik & Souvenirs: Möglichkeit zum Kauf lokaler Keramik, die von den Familien der Gemeinde produziert wird.
- Karnevalsfeiern: Während der Karnevalszeit findet ein Tanzwettbewerb mit verschiedenen Gruppen und Kostümen statt.
- Studien & Forschung: Der Tempel und das Dorf sind ein interessantes Feld für kunsthistorische, ethnologische und kulturhistorische Untersuchungen.
Tipps für den Besuch des Templo Santiago Apóstol
- Respektvoller Besuch: Der Tempel ist ein aktiver Gottesdienstraum – angemessene Kleidung und ein ruhiges Verhalten während religiöser Handlungen sind wichtig.
- Festtage nutzen: Wer Prozessionen, Tänze und Musik erleben möchte, plant den Besuch zu den Patronatsfesten oder zur Karnevalszeit.
- Keramik einkaufen: Direkter Kauf bei lokalen Handwerkerfamilien unterstützt die Gemeinde und bewahrt das traditionelle Kunsthandwerk.
- Architektur im Detail betrachten: Zeit nehmen, um die Sirenenfigur, die salomonischen Säulen und die feinen vegetalen Dekore der Portada zu studieren.
- Kombination mit anderen Zielen: Der Besuch lässt sich gut mit einer Route durch Azángaro, Pucará und weitere Kirchen des Andenbarock verbinden.
Wer den Templo Santiago Apóstol besucht, erlebt nicht nur ein Meisterwerk mestizischer Steinmetzkunst, sondern auch ein Dorf, in dem Keramik, Tanz und Glaube bis heute das tägliche Leben und die Identität der Menschen prägen.

