Vilcashuamán, auch der „heilige Falke“ genannt
Vilcashuamán – Das vergessene Zentrum des Inkareichs
Im Herzen der Anden Perus liegt Vilcashuamán, eine kleine Stadt, die einst als religiöses und administratives Zentrum des mächtigen Inkareiches diente. Der Name Vilcashuamán bedeutet auf Quechua „heiliger Falke“ und steht sinnbildlich für die spirituelle und strategische Bedeutung, die dieser Ort für die Inka hatte. Die Stadt wurde von Inka Pachacútec gegründet, nachdem er die rivalisierenden Chancas besiegte und hier ein starkes Zentrum für das Tawantinsuyu errichten ließ. Vilcashuamán bietet heute einen seltenen Einblick in die ursprüngliche Inkakultur, abseits der bekannteren Touristenmagneten wie Machu Picchu und Cusco.
Ein Blick in die Vergangenheit
Vilcashuamán war zur Blütezeit des Inkareiches im 15. Jahrhundert ein zentraler Knotenpunkt des Capac Ñan, des weit verzweigten Inka-Straßennetzes, und eine der größten Städte im Inkareich. Überlieferungen zufolge lebten hier bis zu 40.000 Menschen, darunter viele Beamte, Soldaten und Priester, die für die Verwaltung und Organisation der Zeremonien und Opferkulte verantwortlich waren. Der zentrale Platz der Stadt diente als Treffpunkt für große Versammlungen, Zeremonien und Opferungen. Auch heute kann man hier die Überreste beeindruckender Bauwerke wie den Sonnentempel (Templo del Sol) und den Ushnu, eine zeremonielle Pyramide, besichtigen.
Architektur und Bedeutung
Die Stadt wurde in Form eines Falken gebaut, wobei der Kopf des Falken durch den Ushnu dargestellt wurde. Dieses sakrale Bauwerk war das spirituelle Zentrum und ein Symbol der Macht der Inka. Der Ushnu besteht aus einer rechteckigen Pyramide mit fünf stufenartigen Plattformen. Über eine steinerne Treppe und ein ikonisches Doppeltor gelangt man auf die oberste Plattform, auf der sich der „Thron des Inka“ (Asiento del Inka) befindet – eine steinerne Sitzgelegenheit, die früher mit Blattgold verziert war. Hier saß der Inka-Herrscher während bedeutender Rituale und Zeremonien und führte das Volk an.
Der Sonnentempel und die Plaza
Der Sonnentempel, südlich des trapezförmigen Hauptplatzes gelegen, war ein wichtiges Heiligtum, das dem Sonnengott Inti gewidmet war. Die Wände des Tempels wurden in typisch trapezförmiger Bauweise mit Nischen und Terrassen errichtet. Direkt neben dem Sonnentempel befand sich der Mondturm (Acllawasi) sowie Gebäude für Priester und spirituelle Anführer. Auf diesem Platz wurden oft Opfergaben dargebracht, insbesondere Lamas und Maiswein, um die Götter zu ehren und das Wohl des Inkareiches zu sichern.
Das Erbe des Kolonialismus
Mit der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert begann eine Periode des Umbaus und der Aneignung. Die spanischen Eroberer errichteten auf den Fundamenten des Sonnentempels die Kirche San Juan Bautista – ein Symbol für die tiefgreifende Veränderung und Anpassung der ursprünglichen Kulturen an die kolonialen Einflüsse. Die Kirche, die noch heute steht, ist ein architektonisches Zeugnis der Verschmelzung und stellt, wie in Cusco mit dem Tempel Coricancha, eine Kombination aus Inka- und Kolonialarchitektur dar. Diese Praxis der Überbauung und religiösen Umdeutung war typisch für die spanischen Kolonisatoren und sollte die Vormachtstellung des Christentums über die lokalen spirituellen Traditionen verdeutlichen.
Die Stadt heute: Moderne inmitten alter Geschichte
Vilcashuamán ist heute ein beschauliches Dorf mit etwa 16.000 Einwohnern. Anders als viele andere archäologische Stätten Perus ist Vilcashuamán eine lebendige Stadt, in der die alten Inkabauten harmonisch mit den modernen Häusern der Bewohner verschmelzen. Besucher können hier nicht nur die historischen Überreste bewundern, sondern auch den Alltag der Menschen erleben, die von der Geschichte ihrer Vorfahren umgeben sind. Der zentrale Platz, die imposanten Steinbauten und der noch immer genutzte Sonnentempel machen Vilcashuamán zu einem einzigartigen Ort, der Geschichte und Gegenwart vereint.
Naturschönheiten und Wandermöglichkeiten
In der Umgebung von Vilcashuamán gibt es zahlreiche Naturattraktionen. Besonders erwähnenswert ist der Titankayocc, ein Wald voller Puya Raimondii-Pflanzen, die eine Höhe von bis zu 14 Metern erreichen und nur in den peruanischen Anden wachsen. Die Wanderung zum Puya Raimondii-Wald dauert etwa anderthalb Stunden und führt durch eine beeindruckende Landschaft. Ebenfalls besuchenswert sind die Lagunen von Atinqucha, die etwa acht Kilometer von der Stadt entfernt liegen und ein schönes Naturpanorama bieten.
Praktische Tipps und Anreise
Vilcashuamán liegt etwa 110 Kilometer südlich von Ayacucho und ist am besten mit dem Bus erreichbar. Die Busse fahren am Terminal Terrestre Zona Sur in Ayacucho ab und die Fahrt dauert ungefähr drei Stunden. Alternativ kann die Strecke auch mit einem Geländewagen in etwa fünf Stunden bewältigt werden. Ein Besuch lohnt sich besonders während der Feste, wie dem Vilcas Raymi im Juli, den Karnevalsfeierlichkeiten im Februar oder dem Provinzjubiläum im September. Zu diesen Anlässen können Reisende die Bewohner der Region in traditionellen Trachten erleben und die typischen lokalen Gerichte kosten.