Danza de las Pallas de Lunahuaná – Eleganz, Andenklang und Inka-Tradition im Tal des Río Cañete
Im sonnenverwöhnten Valle de Lunahuaná, drei Stunden südlich von Lima, erklingt an besonderen Tagen eine Musik, die ebenso sanft wie erhaben ist. Junge Frauen in leuchtenden Gewändern schreiten in feierlicher Anmut, ihre Stimmen klingen in hohen, klaren Tonlagen. Es ist die Danza de las Pallas de Lunahuaná – ein lebendiges Erbe, das Inka-Tradition und christliche Festlichkeit miteinander verbindet.
Ursprung zwischen Andenreich und Kolonialzeit
Der Begriff „Palla“ hat gleich doppelte Wurzeln:
- im Aymara bedeutet er „auswählen“,
- im Quechua „aufsammeln“ oder „auflesen“.
Historisch bezeichnete er edle Frauen oder ñustas, die den Inka auf Reisen begleiteten, ihm dienten und seine Würde repräsentierten. Diese Hofdamen zeichneten sich durch eine ruhige, gemessene Haltung aus, die bis heute in der Tanzform spürbar ist: keine hastigen Bewegungen, sondern sanftes Schreiten, melodiöse Gesänge und subtile Gesten.
Ein Fest zu Ehren des Niño Jesús
In Lunahuaná ist die Danza de las Pallas fest mit der Festividad del Niño Jesús verbunden. Diese Feier kann bis zu vier Tage dauern, meist zwischen Ende Dezember und Anfang Januar. Die Pallas tanzen als Ausdruck von Zuneigung und Hingabe an das Jesuskind.
Die Tanzgruppen bestehen traditionell aus sechs bis acht jungen Frauen im Alter von 14 bis 16 Jahren – dem Alter, das sie zu „Doncellas del Niño“ macht. Jede übernimmt eine Rolle innerhalb der Formation: palla primera, segunda oder tercera.
Engagiert werden die Tänzerinnen von devotos (Gläubigen) oder Vereinsmitgliedern, die als Gastgeber der Feier fungieren. Der Tanz begleitet Prozessionen, Kirchenfeiern und gesellige Momente – und bietet Besuchern eine eindrucksvolle Gelegenheit, in die lebendige Kultur des Tals einzutauchen.
Eleganz in Stoff und Schmuck
Die Tracht der Pallas von Lunahuaná ist ebenso symbolisch wie prachtvoll:
- Anaco: ein langes, meist blaues Kleid, das den Kern des Outfits bildet.
- Manto: ein reich verzierter Umhang mit bunten Bändern, der den Rücken bedeckt.
- Cinturón: ein breiter, goldbestickter Gürtel, der das Kleid formschön zusammenhält.
- Corona blanca: eine weiße Krone, die Reinheit und festlichen Glanz symbolisiert.
- Zapatos de tacón: elegante, hohe Absatzschuhe, die den schreitenden Bewegungen besondere Haltung verleihen.
Im Unterschied zu anderen Regionen wirkt die Lunahuaná-Version harmonisch, klar und von andächtiger Zurückhaltung geprägt.
Musik und Ausdruck
Der Tanz ist geprägt von melancholischen Gesängen in hohen Tonlagen, begleitet von sanften Instrumenten. Anders als in den nördlicheren Varianten steht hier nicht die rhythmische Energie, sondern der Gesang als emotionale Brücke zwischen Tänzerinnen, Publikum und dem verehrten Niño Jesús im Vordergrund.
Die Bewegungen sind langsam und fließend – oft im Gleichschritt – und betonen mehr die Würde und Hingabe als spektakuläre Choreografie.
Ein Fest für Besucher und Gemeinde
Für Reisende bietet die Festivität nicht nur den Tanz selbst, sondern auch kulinarische Begegnungen mit der lokalen Küche – vom aromatischen Pisco bis zu typischen Gerichten wie carapulcra con sopa seca oder mazamorra de uva.
Die Danza de las Pallas de Lunahuaná ist damit mehr als eine Folkloredarbietung: Sie ist ein Fenster in die Geschichte des Tales, ein Spiegel der kulturellen Vermischung und ein Symbol dafür, wie alte Andentraditionen in den Festen einer lebendigen Gemeinde weiterleben.
Unterschied zur Danza de las Pallas de Corongo
Obwohl beide Tänze denselben Namen tragen, sind sie deutlich verschieden.
Die Pallas de Corongo in der Region Áncash werden ausschließlich im Juni zu Ehren von San Pedro Apóstol getanzt. Dort ist der Stil feierlich-majestätisch, die Kostüme besonders üppig und farbenprächtig, und die Musik wird nur mit caja und roncadora gespielt. Die Lunahuaná-Version hingegen ist sanfter, gesangsbasiert und mit dem Weihnachtsfest verknüpft, wodurch sie eine andere emotionale Tiefe erhält.
Anreise nach Lunahuaná
Lunahuaná liegt rund 185 Kilometer südlich von Lima und ist in etwa drei Stunden erreichbar:
- Mit dem Auto oder Taxi: Über die Panamericana Sur bis San Vicente de Cañete, dann weiter über die gut ausgebaute Talstraße Richtung Lunahuaná.
- Mit dem Bus: Mehrere Unternehmen fahren von Lima nach San Vicente de Cañete; von dort weiter mit colectivos oder Taxis ins Tal.
- Beste Reisezeit: Die Region ist ganzjährig sonnig, besonders lebendig während der Festtage Ende Dezember/Anfang Januar.
Tipp: Wer zur Festividad del Niño Jesús anreist, sollte Unterkunft frühzeitig buchen, da Lunahuaná in dieser Zeit viele Besucher aus Lima und der Umgebung anzieht.
Titelbild: Mincetur