Caral in Peru
Caral – älteste Stadt des amerikanischen Kontinents
Die archäologische Entdeckung der uralten Stadt Caral ist mindestens so abenteuerlich wie ihr Entstehen – zu einer Zeit, in der sich die Anden insgesamt kulturell dramatisch entwickelten.
182 Kilometer nördlich von Lima und 25 km landeinwärts des Pazifik im Tal des Rio Supe gelegen, wird Caral mit Recht als älteste Stadt beider Amerikas bezeichnet. Heute wird ihre Entstehung auf 2.600 vor Christi datiert. Berücksichtigt man ihr Alter und die ihr zusetzenden Umwelteinflüsse, dann sind die verbleibenden Ruinen von Caral bemerkenswert. Sechs große und einige kleinere Pyramiden, von denen die größte 150 x 160 Metern misst; zwei riesige, eingesunkene Zeremonienplätze; mystische Amphietheater; verschiedenste Tempel; Wohnbezirke; ein ausgefeiltes Bewässerungssystem, das auch eine das ganze Areal umgebende Ackerfläche mit Wasser vom nahegelegenen Fluss Supe versorgte.
Caral ist nicht nur in sich ein faszinierender, geheimnisvoller Ort. Seine archäologischen Funde haben auch zu einem tieferen historischen Verständnis der gesamten Epoche beigetragen. So ließ unter anderem die Entdeckung von 32, aus Kondor- und Pelikanknochen geschnitzten Flöten auf einen viel weiter fortgeschrittenen Entwicklungsstatus altamerikanischer Zivilisation schließen, als bisher angenommen worden war.
Denn dieser wie auch weitere erstaunliche Funde weisen Caral als eine Stadt aus, die von zahlreichen technologischen Erfindungen geprägt war: unter anderem die Entwicklung von statisch wie künstlerisch anspruchsvoller Architektur, auf Webstühlen gewebte statt nur geknüpfte und geknotete Kleidung und die Umnutzung der Flüsse durch Zu- und Abläufe, die mehr als eine jährliche Ernte ermöglichte.
Dieser kulturellen Vielschichtigkeit ist es auch zu verdanken, dass Caral 2009 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Um die von der konstanten Erosion durch Wind stark gezeichnete Stätte zu konservieren, hat die peruanische Regierung in Folge Gelder für die weitere Kartierung, Erforschung, Konservierung und vorsichtige touristische Erschließung des Geländes zur Verfügung gestellt.
Das erstaunliche Alter Carals konnte erst in neuerer Zeit präzise datiert werden. Der Fund einiger Schilfsäcke und die Radiokarbonmethode, ein Verfahren zur radiometrischen Datierung kohlenstoffhaltiger, meist organischer Materialien, lassen eine Schätzung von 4.600 bis 5.000 verstrichenen Jahren seit Gründung zu. Das genaue Datum der Relikte wurde auf 2627 vor Christus festgelegt. Damit ist Caral um die 1.000 Jahre älter als die noch vor den Maya ansässige Kultur der Olmeken. Bisher galt diese auf etwa 1600 v. Chr. datierte Zivilisation als Amerikas früheste organisierte Stadtgesellschaft, basierend auf dem Zeugnis der ebenfalls bisher noch als älteste angenommenen Monumentalbauten bei La Venta am Golf von Mexiko.
Seine Blütephase scheint Caral zwischen 1800 und 1000 v. Chr. erlebt zu haben, analog zu anderen Zivilisationszentren der Anden. In vieler Hinsicht kann man Caral zu den frühen Hochkulturen wie etwa Ägypten oder Mesopotamien zählen, also zu den Wiegen der modernen Zivilisation. Wie weit dieser Vergleich genau reicht, muss noch erforscht werden. Um etwa 1.200 vor Christus wurde Caral verlassen. Warum, ist bis jetzt ein Rätsel. Klar ist nur, dass seine Einwohner bewusst versucht haben, ihre architektonischen Spuren zumindest teilweise unkenntlich zu machen.
Räumlich umfasst Caral momentan eine Fläche von 60 Hektar. Neueste Forschungen legen allerdings die Vermutung nahe, dass es noch viel weitläufiger war. Unter Umständen hat Caral sogar über die Anden bis in den Dschungel gereicht und sich damit 400 Kilometer in den Norden und Süden und 300 Kilometer in den Osten vom Zentrum aus erstreckt. Sicher ist, dass Caral einen bedeutenden Einfluss auf die anderen 17 Ansiedlungen gehabt hat, die ebenfalls im Supe Tal gefunden wurden – wenn es diese und seine insgesamt geschätzt 20.000 Bewohner nicht sogar administrativ umfasst hat.
Zentral zum bisher sichtbaren Komplex sind zwei kreisförmig in die Fläche eingesenkte, Amphitheatern ähnliche Gebilde, die von sechs flachen, pyramidenförmigen Erhebungen eingegrenzt sind. Die kleinste dieser Pyramiden ist 60 m lang, 45 m breit und 10 m hoch; die größte Pyramide 160 m lang, 150 m breit und 18 m hoch. Eingangs wird diese von zwei 3,5 m hohen Monolithen bewacht, deren Herkunft (noch) ein großes Geheimnis ist – denn die tonnenschweren Skulpturen sind aus Granit, einer Steinart, die in einem 150 Kilometer-Umkreis nicht vorkommt.
Zu verdanken sind diese heute sichtbaren Bauwerke der Arbeit der peruanischen Archäologin Dr. Ruth Shady. Zwar war Caral seit etwa hundert Jahren bekannt; niemand jedoch hatte dem Ort größere Beachtung geschenkt – ganz abgesehen davon, in ihm die Geburtsstätte der ursprünglichen, amerikanischen Zivilisation zu sehen, die hinsichtlich ihres Alters weltweit nur noch von Mesopotamien übertroffen wird.
Erst 1994 leitete Dr. Shady ein Forscherteam an dieser Stelle zu Ausgrabungen an, die 2007 zur Entdeckung der Hauptpyramide führten. Daneben fanden sich bis jetzt zusätzlich rituelle Stätten wie Altäre und Grabstätten und Wohnhäuser, außerdem Lagerstätten für Lebensmittel. Ebenfalls gefundene Figurinen deuten auf einen religiösen Brauch hin, der mit der Götteranbetung anderer vor-kolumbianischer Kulturen vergleichbar wäre.
Bisher haben die Archäologen Handwerkszeuge aus Stein (Metall gab es noch nicht), Gefäße, Tragenetze, Textilien, Opfergaben, Musikinstrumente, Nahrungs- und Rauschmittelreste, Exkremente und die Überreste zweier Kinder gefunden – aber keinerlei Hinweise auf Waffen.
Auch unter der freigelegten Architektur waren keine Schutzgebäude oder Befestigungen wie Wehrgräben. Das ist erstaunlich, vergleicht man es mit anderen alten Stätten Perus, die oft über elaborate Verteidigungsmechanismen verfügten. Ein Grund hierfür könnte die eher abgelegene Lage im Abstand zur Küste gewesen sein. Auf den ersten Blick ist diese Wahl des Standortes schwer erklärbar – die Gegend ist unwirtlich, ein sandiges, von Felsbrocken bedecktes und Bergketten umstandenes Hochplateau aus Sand und Felsschutt.
Verständlicher wird sie, wenn man die vom Klimaphänomen El Niño verursachten Überschwemmungen an der Küste und die häufig darauf folgenden Dürreperioden in Betracht zieht.
Unter Umständen waren die Bewohner von Caral ursprünglich vor dem unkontrollierten Wasser geflohen – und wurden dann Experten darin, sich das kostbare Nass, die Gefälle und Strömungen der vorhandenen Flüsse in der ansonsten trockenen Gegend durch komplexe Bewässerungssysteme nutzbar zu machen. Amerikas erstes Irrigationssystem wurde in Caral erfunden – und im Lauf dieser Zivilisation noch um Terrassenanlagen am Ufer des Flusses Supe ergänzt.
Diese das ganze Tal durchziehenden Kanäle machten den Anbau von Baumwolle, Bohnen und Kürbis möglich. Daneben lebte die Bevölkerung von Caral von Meerestieren aus dem immer noch nicht allzu weit entfernten Pazifik, wie gefundenen Fischgräten und Muscheln beweisen. Insgesamt mussten nicht mehr als 3.000 Bewohner in Caral versorgt werden – und das wohl eher zu seinen Hochzeiten.
Anstoß zur Umschreibung der Geschichte
Die Bevölkerung von Caral war nach einer deutlichen sozialen Schichtung und politisch zentral organisiert; diesen Schluss lassen die unterschiedlich aufwendigen Bauweisen der Häuser zu. Innerhalb dieser formellen politischen und ökonomischen Struktur gab es eine klar abgetrennte Oberstadt und Unterstadt. Oben wohnte die politische und religiöse Elite, die die Führung und Organisation der Gesellschaft verantwortete und auf den Pyramiden residierte. Eine Mittelklasse, zuständig für Landwirtschaft, Architektur und Bewässerungssysteme sowie Versorgungsfragen, lebte zu ihren Füßen. Die Unterschicht schließlich, für handwerkliche Arbeiten und manuell ausgeführte Tätigkeiten zuständig, wohnte verstreut auf der gesamten Fläche.
Das erstaunliche daran: Caral ist damit die erste prä-keramische Zivilisation, die je nachgewiesen werden konnte. Die Fähigkeit, Ton zu gewinnen und zu brennen, gehörte vor der Erforschung von Caral zu den definierenden Eigenschaften einer komplex strukturierten, menschlichen Gesellschaft – denn keramische Gefäße erlaubten die Lagerung von Wasser und Nahrungsmitteln und deuteten immer auf eine kulinarische Kultur hin. Ein weiteres dieser Hochkultur-Anzeichen war der Anbau von Getreide: Er erlaubte eine langfristige Planung der Versorgung einer großen Gruppe Menschen und ein Handelssystem, indem es als Währung genutzt wurde. Doch auch Getreide wurde in und um Caral nicht angebaut.
Offensichtlich nutzten seine Bewohner andere Mittel, um ihre nachhaltige Versorgung sicher zu stellen und einen effektiven Tauschhandel zu pflegen. Massenhaft angebaute Kürbisse wurden getrocknet und als Behälter genutzt; die ganzjährige Ernte von Boden- und Hülsenfrüchten ersetzte den Getreidevorrat.
Sehr wahrscheinlich spielte auch die in Caral angebaute Baumwolle dabei eine große Rolle. Es konnte nicht nur für Bekleidung, sondern auch als Netzmaterial für die Fischer genutzt werden, die vom Meer anreisten und die Netze gegen frischen Fisch eintauschten. Dieser wiederum ließ sich trocknen und versorgte die Bevölkerung von Caral mit Protein – ein essenzieller Nährstoff bei einer ansonsten hauptsächlich pflanzenbasierten Nahrung.
Neueste Funde zeigen außerdem, dass die Einwohner von Caral ihr eigenes Handelsnetz noch wesentlich weiter gespannt hatten: Es muss bis an den Amazonas herangereicht haben. Belegt wird dies nicht nur von Affenbildern, in die Felsen geritzt – auch Überreste von Coca und anderen halluzinogenen Drogen wurden gefunden, die damals nur direkt aus dem Dschungel zu beziehen waren. Die Einwohner von Caral hatten außerdem eine offensichtlich ausgeprägte künstlerische und handwerkliche Tradition, wie die gefunden Schmuckstücke und textilen Überreste beweisen.
Diese Tatsache war für Historiker eine Sensation: Die komplette Definition dessen, was „zivilisiert“ bedeutet und wie „entwickelt“ frühe Kulturen waren, musste nach Entdeckung und Auswertung der Funde von Caral neu bewertet werden – diese Bewertung hält bis heute an. Auch innerhalb der Altamerikanistik müssen die Historiker umdenken. Bisher waren sie immer von der These ausgegangen, dass es aufgrund des fehlenden Wassers abseits der andinen Küste keine sesshaften Frühkulturen hat geben können.
So ist Caral mehr als nur eine Wiege der Frühkultur, deren Erforschung noch ganz am Anfang steht: Es ist auch ein Beweis für den Erfindungsreichtum und die Vielfalt menschlicher Kultur, die auch ohne unabdingbar scheinenden Elemente wie ein mechanisiertes Transportwesen und nicht zuletzt Konflikt und Krieg Großes schaffen kann.
Von Lima aus fährt man nach Caral etwa zwei bis drei Stunden, abhängig vom Verkehrsmittel. Ein Besuch lohnt sich schon deshalb, weil bisher noch relativ wenige Touristen diesen Abstecher machen.
Online wie auch vor Ort in Lima bieten diverse Reiseveranstalter Touren an, deren Preise extrem variieren. Eine besonders authentische Erfahrung können Sie aber auch machen, indem Sie schlicht öffentliche Verkehrsmittel nutzen, wenn Sie sich kein Auto oder einen eigenen Fahrer buchen wollen.
Vor Ort haben Sie sowieso kein Wahl: Ohne eine geführte Tour und in Begleitung eines Guides darf die Stätte nicht betreten werden. Wenn Sie einmal in der Gegend unterwegs sind, können Sie auf dem Rückweg außerdem noch einige andere Sehenswürdigkeiten „mitnehmen“ – wie etwa Barranca Playa und die Christusfigur auf den Klippen. Wer über Nacht bleiben will, findet sowohl in Supe als auch in Barranca Hotels.
Nicht vergessen: Caral liegt in der Wüste – Sonnencreme, Sonnenhut und Wasser sind ein Muss. An der Punte Caral kann man sich notfalls ein letztes Mal vor allem mit Letzterem eindecken.
Wer den Besuch direkt von Lima aus buchen möchte und sich für Archäologe besonders interessiert, sollte das Angebot des für die Ausgrabungen verantwortlichen archäologischen Instituts nutzen. Es bietet vor allem am Wochenende Touren für etwa für 95 Soles an. Die Fahrt geht frühmorgens ab dem Ministerio de la Cultura los; gegen 20 Uhr geht es dann abends zurück. Diese Touren sind sehr beliebt und schnell ausgebucht; am besten zwei Wochen vorher einen Platz reservieren!
Klima und Temperaturen
Das Wetter ist ganzjährig warm bis heiß bei Temperaturen zwischen 21-22 Grad.
Anreise
Lima – Caral mit dem Bus
Morgens gegen acht sollten Sie am Busterminal Norte an der Panamerica sein. Von dort fahren Sie für etwa 15 Soles Richtung Barranca und steigen nach etwa dreieinhalb Stunden Fahrt in Supe aus. Dort warten ständig genug Taxen und Combis, die Sie für etwa sieben Soles direkt nach Caral bringen. Achtung: Die Strecke ist sehr uneben! Suchen Sie sich ein stabil aussehendes Fahrzeug aus, falls möglich. Das Taxi bringt Sie bis zum Eingang derAusgrabungsstätte. Nehmen Sie einen Hut mit um sich vor der Sonne zu schützen.
Eintritt und Tour
Am Eingang zahlen Sie etwa 11 Soles Eintritt. Der Tourenführer kostet nochmals einen Sol. Sie werden einer Gruppe zugeteilt, weshalb manchmal eine kleine Wartezeit entsteht. Die Führung dauert 1,5 Stunden und wird fast immer auf Spanisch abgehalten. Auf dem Gelände und am Ausgang sind saubere Wassertoiletten vorhanden. Für Mitbringsel gibt es einen kleinen Shop und Souvenirbüdchen, zur Erfrischung eine Cafeteria.